Ezidische Genozid-Überlebende aus PDK-Haft entlassen

Eine 17-jährige Ezidin wird 2014 vom IS aus Şengal verschleppt. Drei Jahre später kann sie vom irakischen Militär befreit und an die PDK übergeben werden. Doch statt in Şengal landet sie in einem Gefängnis. Ezidische Vereine erheben schwere Vorwürfe.

Wie tausende andere Frauen wurde die heute 23 Jahre alte Ezidin Hala Rafo im August 2014 beim ezidischen Genozid der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) aus Şengal verschleppt und „versklavt“. Im Verlauf der Rückeroberung der Stadt Hawidscha südwestlich von Kerkûk (Kirkuk) konnte sie vom irakischen Militär aus der IS-Gefangenschaft befreit und an die Behörden der kurdischen Regionalregierung übergeben werden. Doch statt zurück nach Şengal gebracht zu werden, landete die junge Frau in einem Gefängnis der PDK-geführten Regierung im Großraum Hewlêr (Erbil). Auf freien Fuß gesetzt wurde sie erst am heutigen Sonntag. Die Entlassung erfolgte nur wenige Tage, nachdem ezidische Vereine den Fall öffentlich machten. „Wir haben viele Nachforschungen über ihren Verbleib angestellt, aber wir konnten nichts finden. Bis Hala uns vor einer Weile aus dem Gefängnis anrief und uns bat, sie herauszuholen”, äußerte Dakheel Rafo, ein Bruder von Hala, gegenüber Kirkuk Now.

Nach Angaben der Initiative Eziden Weltweit e.V., die ihren Sitz in der nordrhein-westfälischen Stadt Herford hat und sich in zahlreichen Ländern für die Interessen und Rechte der ezidischen Minderheit einsetzt, wurde Hala Rafo von der PDK für einen Gefangenenaustausch festgehalten. Offenbar sollte sie in einer geheimen Tauschaktion für die Freilassung eines im Nordirak gefangengenommenen Sicherheitsbeamten an den IS zurückgegeben werden. Der Ezidische Frauenrat Şengal bestätigt diese Vorwürfe. Allerdings sollten nicht einer, sondern zwei SIcherheitsleute gegen Rafo „eingetauscht“ werden.

„Die Kämpferinnen und Kämpfer der Demokratischen Kräfte Syriens haben bis heute hunderte ezidische Frauen und Kinder aus der Gefangenschaft des IS befreit und sie sofort im Anschluss an unsere Einrichtungen in Nord- und Ostsyrien oder direkt an Angehörigen in Şengal übergeben. Auf welcher Grundlage wurde Hala im südkurdischen Autonomiegebiet inhaftiert?“, will Ferîda Şengalî vom Ezidischen Frauenrat in Şengal wissen. Die Aktivistin ist erbost. Statt eine sofortige Zusammenführung mit Verwandten der 23-Jährigen oder eine Traumatherapie für sie zu ermöglichen, sei die Frau erneut in Gefangenschaft geraten. Auf eine Qual folgte die nächste, so Şengalî.

Zur dschihadistischen Ideologie des IS gehört eine Politik der systematischen Gewalt gegen Frauen, die ihre Versklavung und Vergewaltigung rechtfertigt. Tausende ezidische Frauen und Mädchen beim Überfall auf Şengal entführt, auf Märkten verkauft, zwangsverheiratet, als Arbeitskraft ausgebeutet und schwerer sexualisierter Gewalt ausgesetzt. Frauen, die Angehörige verloren haben und gezwungen wurden, ihre Muttersprache, ihren Glauben und ihre Traditionen zu verleugnen. Sie sind schwer traumatisiert und ihre Erlebnisse werden sie ein Leben lang begleiten. Daher stellt der ezidische Genozid vom 3. August 2014 zugleich auch einen Feminizid dar.

Der Ezidische Frauenrat prüft derweil rechtliche Schritte gegen die Behörden der PDK. Ob Hala Rafos Mutter oder andere weibliche Verwandte noch leben, ist unterdessen unklar. Sicher sei, dass mehrere männliche Familienangehörige vom IS ermordet wurden. 2017 wurde im Dorf Til Qesif in Şengal ein Massengrab mit den sterblichen Überresten von elf Menschen gefunden. Auch die Knochen von Rafos Vater, einem Bruder, einem Onkel und mehreren Cousins wurden damals ausgegraben.