„Es gibt nichts Schlimmeres als nichts zu tun“

Am internationalistischen langen Marsch für die Freiheit von Abdullah Öcalan und eine Lösung der kurdischen Frage sind Menschen aus verschiedenen Ländern beteiligt. Eine der Demonstrierenden ist Lori Kollontai aus Österreich.

„Es gibt nichts Schlimmeres als nichts zu tun“ – nach diesem Leitwort beteiligt sich die Österreicherin Lori Kollontai am diesjährigen internationalistischen langen Marsch für die Freiheit von Abdullah Öcalan und eine Lösung der kurdischen Frage. Seit Sonntag läuft der in Basel in der Schweiz gestartete Marsch, der die rund 200 beteiligten Internationalist:innen aus zahlreichen Ländern zunächst bis nach Straßburg vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und anschließend zu einer Großdemonstration nach Köln führen soll. Anlass ist der 25. Jahrestag der Verschleppung Abdullah Öcalans in die Türkei.

Kollontai begründet ihre Teilnahme am langen Marsch damit, dass sie das Schweigen zum Umgang mit Öcalan durchbrechen will. Der 74-Jährige, der als Begründer der kurdischen Befreiungsbewegung gilt, befindet sich seit nunmehr 25 Jahren in politischer Geiselhaft des türkischen Staates, nachdem er 1999 im Rahmen einer internationalen Geheimdienstoperation illegal aus Kenia entführt wurde. Nahezu vollständig von der Außenwelt abgeschnitten, wird er seither in weitgehender Isolation auf der Gefängnisinsel Imrali festgehalten – die letzten drei Jahre in Totalisolation. Jegliche Kommunikation mit der Außenwelt ist Öcalan untersagt, was einen eklatanten Verstoß gegen türkisches und internationales Recht darstellt. International wird dieser Umstand ignoriert.


Auf Imrali würde aber nicht nur Öcalan selbst isoliert, meint Kollontai. Auch seine Ideen, „für die wir hier alle einstehen“, schneide man durch diese Form der Haft vom Rest der Welt ab. Das von Öcalan vorgelegte Modell des demokratischen Konföderalismus mit seinen drei Standbeinen Frauenbefreiung, Basisdemokratie und Ökologie sei der Grund für den Umgang mit ihm – und warum sie sich für die Freiheit des kurdischen Vordenkers einsetze, sagt Kollontai. Kennengelernt habe sie die kurdische Bewegung während ihres Studiums in Deutschland, als ein Vortrag an der Universität rund um Öcalan und Kurdistan verboten werden sollte. Sie habe sich dafür eingesetzt, dass die Veranstaltung stattfinden kann, nach dem Motto ‚Was von der Uni verboten wird, wird interessant sein‘.

Die Frage, was genau sie an den Ideen Öcalans gereizt habe, beantwortet Kollontai mit dessen Herangehensweise an die Frauenfrage und an die Kultur als Alltagspraxis des Widerstands. Gerade für Frauen habe Öcalan eine große Bedeutung, da er sich sein ganzes Leben lang mit der Freiheit der Frau beschäftigte und die Frauenbefreiung als Grundlage einer freien Gesellschaft versteht. Über Kunst und Kultur schreibt Öcalan, dass sie ein wichtiger Bestandteil von Widerstand und Revolution seien, der in den Herzen und Köpfen der Menschen stattfinde. Blickt man dagegen nach Deutschland oder Europa, werden Traditionen als veraltet, nicht zeitgemäß wahrgenommen, bisweilen auch verpönt. Dabei habe sie durch diese Ideen die Philosophie des Ganzen näher verstehen können und „die Schönheit“ erlernt, auf die Welt zu blicken – „nicht nur auf das, wogegen man ist, sondern vor allem, wofür man ist: für die Schönheit der Menschen, für die Schönheit der Natur, des Lebens, und dafür auch kämpfen zu wollen“, erklärt Kollontai.

Der lange Marsch von der Schweiz nach Frankreich geht indes weiter. „Es ist wichtig, etwas zu tun, das Schweigen zu durchbrechen und zu sagen: Öcalans Ideen sind überall, in jeder Person von uns, sie sind allgegenwärtig“, betont Kollontai. Das würde auch auf den anderen Demonstrationen und Aktionen zur Geltung kommen, die dieser Tage in Europa und Kurdistan für seine Freiheit stattfinden. Und im Hinblick auf drei Jahre Totalisolation auf Imrali sei es umso wichtiger und bedeutsamer, jetzt auf der Straße zu sein. „Wir müssen raus gehen und mit Öcalans Ideen diese Totalisolation durchbrechen. Und das möchte ich allen mitgeben.“