Erster Tag der Frauenkonferenz „Lila Solidarität“ in Istanbul

Gestern hat in Istanbul eine zweitägige Frauenkonferenz unter dem Motto „Entweder Freiheit oder Freiheit“ begonnen.

Am ersten Tag der Konferenz, an dem eine freie Aussprache der Teilnehmerinnen vorgesehen war, ergriffen Frauen aus verschiedenen Städten der Türkei und Kurdistans am „lila Rednerinnenpult“ das Wort. Die Wände des Veranstaltungsraums im Kulturzentrum Nazım Hikmet waren mit Spruchbändern wie „Frauensolidarität rettet Leben“ und „Wir sind raus der Küche, Rückkehr ausgeschlossen“ geschmückt.

Einmischung in alle Bereiche des Lebens

In der Eröffnungsrede sagte Selda Özgür von „Lila Solidarität“ aus Antakya: „Gegen diejenigen, die uns ins Haus einsperren, aus dem öffentlichen Bereich fernhalten, über unsere Körper bestimmen und Macht über uns ausüben wollen, wollen wir die Solidarität untereinander vergrößern.“

Nach einer Schweigeminute im Gedenken an alle Frauen, die ihr Leben im Kampf verloren haben, erklärte Perihan Koca im Namen von „Lila Solidarität“, dass die Türkei eine chaotische Phase durchmache, die für alle Frauen spürbar sei und die gesamte Gesellschaft ergriffen habe: „Als Frauen spüren wir die Auswirkungen in unserem gesamten Leben. Wir befinden uns in einer Zeit, in der sich in alles eingemischt wird, von unser Kleidung und unserem Lachen bis zur formellen Prozedur unserer Heirat und der Anzahl unserer Kinder. Wir können zu Recht sagen, dass ein Krieg gegen Frauen begonnen hat. Wir sehen, dass die patriarchale Macht Gewalt, Vergewaltigung und Mord an Frauen legitimiert.“

Zu den Veranstaltungen zum Frauentag am 8. März und zum Kampftag gegen Gewalt an Frauen am 25. November sagte Perihan: „Wir üben Aufstand. Wir sammeln Kraft. Wir haben keine andere Hoffnung als uns selbst. Deshalb tun wir alles dafür, um die Frauenorganisierung voranzutreiben.“

Anschließend ergriff Hatice Gürkan von „Kampus-Hexen“ das Wort und erläuterte die in der Türkei herrschende Frauenfeindlichkeit anhand von Beispielen.

AKP-Diktatur gründet auf Frauenfeindlichkeit

Im Anschluss wurde eine Grußbotschaft europäischer Feministinnen verlesen und eine Videobotschaft von Nuriye Gülmen gezeigt. Nuriye befindet sich aus Protest gegen ihre Entlassung als Lehrbeauftragte per Dekret seit 290 Tagen im Hungerstreik.

Fidan Ataselim, die Generalsekretärin des Bündnisses „Frauenmorde Stoppen“, erklärte: „Wir nähern uns dem Faschismus. Das diktatorische Regime der AKP gründet auf der Herrschaft über Frauen.“

Einen organisierten Rahmen finden

Gülistan Kılıç Koçyiğit, Ko-Sprecherin des HDK, stellte in ihrem Redebeitrag fest, dass bei Frauen zwar große Unzufriedenheit mit dem herrschenden System bestehe, es jedoch noch nicht gelungen sei, dieser Unzufriedenheit einen organisierten Rahmen zu verleihen.

Als nächste trat Hülya Gül Güntaş (CHP) ans Rednerinnenpult und verwies auf den sprunghaften Anstieg von Gewalttaten gegen Frauen und der Verheiratung minderjähriger Mädchen.

Die HDP-Abgeordnete Hüda Kaya, die danach das Wort ergriff, rief zum gemeinsam Kampf gegen die „AKP-Mentalität“ auf, die sich einen religiösen Anschein gebe und das Schicksal von Frauen über ausgedachte religiöse Vorschriften zu bestimmen versuche.

„Es lebe die Frauensolidarität, aber wie?“

Aslı Akdemir von der KESK berichtete, sie sei wegen eines Beitrags zu Özgecan Aslan in sozialen Medien zu einer Haftstrafe verurteilt worden: „Es ist bereits eine Straftat, wenn sich eine Frau für eine Frau einsetzt.“

Nach der Mittagspause sprachen Vertreterinnen vom Rat der Friedensmütter und von den Frauenräten. Anschließend sagte Melek Özman, eine Regisseurin von Filmmor: „Wir rufen immer die Parole ‚Es lebe die Frauensolidarität‘, aber wir haben noch nie darüber gesprochen, wie wir sie beleben wollen. Darüber sollten wir miteinander sprechen.“

Die beiden inhaftierten Politikerinnen Sebahat Tuncel (DBP) und Figen Yüksekdağ (HDP) beteiligten sich brieflich an der Konferenz und erhielten besonderen Applaus.

Über gegenseitige Solidarität hinaus

Als Sprecherin der HDP-Frauenräte ging Besime Konca anschließend auf den jahrelangen Kampf kurdischer Frauen ein und erklärte: „Frauen spielen eine Führungsrolle in der Revolution. Daher ist die Zeit gekommen, über gegenseitige Solidarität hinaus die Kämpfe von Frauen zu verbinden und ein Netzwerk herzustellen, das von einer gemeinsamen Haltung zeugt. Die Misshandlung weiblicher Leichen in Kurdistan kann nicht getrennt von der herrschenden Politik betrachtet werden, mit der Vergewaltiger einen Freibrief ausgestellt bekommen. Daher müssen wir Seite an Seite stehen.“

Zum Abschluss des ersten Konferenztages wurde von den Teilnehmerinnen gesungen und getanzt. Für heute sind Sitzungen zu verschiedenen Themengebieten geplant.

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