In Nord- und Ostsyrien findet die erste Kurdische Frauenkonferenz statt. Austragungsort ist der Azadî-Park in Qamişlo, wo sich Frauen aus einer Vielzahl gesellschaftlicher, politischer und kultureller Bereiche am Sonntag versammelt haben, um über politische Entwicklungen, gesellschaftliche Herausforderungen und die Rolle der Frau im heutigen Syrien zu diskutieren.

Die Konferenz vereint Vertreterinnen politischer Parteien, Intellektuelle, Autorinnen, Künstlerinnen, Journalistinnen sowie Frauen aus verschiedenen Organisationen und Bewegungen. Auch Teilnehmerinnen aus Aleppo und Damaskus sowie Repräsentantinnen der Frauenkomitees der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) sind anwesend.

Politischer Lagebericht und Panels

Nach den Eröffnungsreden wurde das Präsidium der Konferenz gebildet. Gewählt wurden unter anderem die Aktivistinnen Stêra Qasim von der Partei El-Partî und Siham Emoka von der Partei Yekitî, die Ko-Vorsitzende der PYD Perwin Yusîf, die Sprecherin des Frauendachverbands Kongra Star Rihan Loqo sowie Narîn Metînî von der Zukunftsbewegung Kurdistans.

Ein zentrales Element des ersten Parts der Konferenz war die Präsentation eines politischen Lageberichts durch Rihan Temo, Sprecherin des Komitees für demokratische Beziehungen und Bündnisse von Kongra Star. In dem Bericht wurde insbesondere auf die anhaltenden Angriffe der Türkei und ihr nahestehender Milizen auf Nord- und Ostsyrien hingewiesen – ein Thema, das in mehreren Beiträgen als fortwährende Bedrohung für die Region und ihre Bevölkerung beschrieben wurde.

Keine Illusionen über HTS machen

Im anschließenden Panel zur politischen Lage, moderiert von Rihan Emoka, äußerten sich zahlreiche Rednerinnen zur aktuellen Situation. Die Autorin Beşira Derwêş etwa betonte die problematische Haltung der syrischen Übergangsregierung und warnte vor Illusionen hinsichtlich der Islamistenallianz „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS). Die aus Al-Qaida hervorgegangene Koalition aus Dschihadistenmilizen regiert seit dem Sturz des Baath-Regimes in Damaskus.

Cewahir Osman vom Rat der Angehörigen von Gefallenen hob die Errungenschaften der Frauenrevolution hervor und verwies auf die Bedeutung des anhaltenden Widerstands weiblicher Kämpferinnen, etwa am Tişrîn-Staudamm am Euphrat, den die Türkei zusammen mit ihrer Proxytruppe SNA seit Dezember versucht einzunehmen, um den Weg für eine Bodeninvasion Kobanês freizumachen.

Siham Dawud von der Zukunftspartei Syriens erklärte, dass Kurd:nnen eine führende Rolle im 21. Jahrhundert einnehmen müssten, um gegen genozidale Politiken anzukämpfen. Besonders betonte sie den Wunsch nach Einheit, wie er sich zum diesjährigen Newroz-Fest gezeigt habe.

Rolle der Frauen im Aufbauprozess

Auch Ilham Ehmed, eine der beiden Außenbeauftragten der Selbstverwaltung, richtete mahnende und motivierende Worte an die Teilnehmerinnen: „In dieser sensiblen Phase schreiben die kurdischen Frauen Geschichte. Diese Konferenz wird ein Kapitel im neuen Syrien markieren.“ Sie hob die Rolle der Frauen im Aufbauprozess hervor und betonte die Bedeutung der kurdischen Einheit für ein dezentrales Syrien. Der Aufruf des PKK-Begründers Abdullah Öcalan für Frieden und eine demokratische Gesellschaft sei ein wichtiger Beitrag, auf dessen Grundlage sich alle Kräfte vereint an einem Prozess für Frieden, Freiheit und Demokratie beteiligen sollten.

Botschaft von Newroz Ehmed

Eine kraftvolle Botschaft kam von Newroz Ehmed, Generalkommandantin der Frauenverteidigungseinheiten (YPJ). Sie erklärte, dass eine Lösung der kurdischen Frage untrennbar mit der Lösung der Frauenfrage verbunden sei. „Ohne die Anerkennung von Selbstverteidigung wird es keine nachhaltige Lösung geben“, sagte sie. Sie forderte, dass dieser Punkt im Verfassungsentwurf des zukünftigen Syriens berücksichtigt werden müsse.

Satzung der „Kurdischen Frauenkonferenz Rojavas“

Am Ende der ersten Session wurde die Satzung der „Kurdischen Frauenkonferenz Rojavas“ vorgestellt und diskutiert. Damit markiert die Konferenz nicht nur einen symbolischen Meilenstein, sondern auch einen konkreten Schritt in Richtung einer stärkeren politischen und gesellschaftlichen Rolle kurdischer Frauen in der Region – und darüber hinaus. Die Konferenz wird mit weiteren Diskussionen und Beschlüssen fortgesetzt. Ihr Ziel: die Stimme der kurdischen Frauen in einer sich neu formierenden syrischen Gesellschaft zu stärken und den Weg für eine geeinte, demokratische Zukunft zu ebnen.