Emine Ayna wegen „Terrorpropaganda“ verurteilt

Die frühere DBP-Vorsitzende Emine Ayna ist in Amed zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden – wegen politischer Reden, die sie als Parlamentsabgeordnete für eine Lösung der kurdischen Frage tätigte.

Die frühere DBP-Vorsitzende Emine Ayna ist in der Türkei zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die 55-Jährige soll zwischen 2011 und 2016 mehrfach öffentlich eine politische Lösung der kurdischen Frage eingefordert und dabei auch die Rolle von Abdullah Öcalan, dem inhaftierten Begründer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), für eine Entspannung des Konflikts betont haben. Dabei soll sie sich auch für eine Verbesserung der Haftbedingungen Öcalans ausgesprochen haben. Ein Gericht in der nordkurdischen Provinz Amed (tr. Diyarbakır) sah es am Dienstag als erwiesen an, dass Ayna damit Propaganda für eine „Terrororganisation“ betrieben habe. Vom Vorwurf des mehrfachen Verstoßes gegen das türkische Versammlungsgesetz wurde die Kurdin freigesprochen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Der Prozess vor einer der großen Strafkammern in Amed ging ohne die Anwesenheit von Emine Ayna zu Ende. Vor Gericht erschien sie nicht und ließ sich entschuldigen. Aynas Verteidigerin Semra Balyan wies die Kammer darauf hin, dass die von der Anklage beanstandeten Reden unter die Meinungsfreiheit fallen und zu einer Zeit gehalten wurden, als ihre Mandantin als Abgeordnete im türkischen Parlament saß. Einige der Reden habe sie auch in ihrer Funktion als Vorsitzende einer pro-kurdischen Partei gehalten. Balyan warf der Staatsanwaltschaft vor, politische Reden Aynas bewusst zu kriminalisieren, um bestimmte Standpunkte zu bestrafen.

Die Juristin betonte aber auch den geringen Spielraum für Einschränkungen von politscher Rede im entsprechenden Artikel des türkischen Strafgesetzbuches. Staatliche Beschränkungen von Meinungsäußerungen seien nur zu rechtfertigen, wenn sie der Aufstachelung zur Gewalt dienten. Die Äußerungen Aynas hätten keine Hassrede enthalten oder zu Gewalt aufgerufen, im Gegenteil. Sie hätten Forderungen beinhaltet, die kurdische Frage zu lösen. Deshalb fehle es an einem öffentlichen Interesse für die Strafverfolgung, die unverhältnismäßig und unnötig sei, sagte Balyan und forderte Freispruch. Das Gericht verurteilte Emine Ayna zunächst zu drei Jahren Haft, reduzierte das Strafmaß aber um sechs Monate.

Wer ist Emine Ayna?

Emine Ayna wurde 1968 in Pîran (Dicle) in Amed geboren. Nach dem Abitur war sie Mitgründerin und später Vorsitzende des in Istanbul ansässigen Frauenvereins „Gökkuşağı“ (Regenbogen). 2007 nahm sie als unabhängige Kandidatin für die Provinz Mêrdîn (Mardin) an den Parlamentswahlen teil und zog mit mehr als 15 Prozent der Stimmen ins türkische Parlament. Bis zum Verbot der Partei der demokratischen Gesellschaft (DTP) Ende 2009 war sie deren Ko-Vorsitzende. Nach dem DTP-Verbot trat sie der Nachfolgepartei BDP (Partei für Frieden und Demokratie) bei. Für die Parlamentswahlen 2011 stellte sie sich als unabhängige Kandidatin für Amed auf und wurde wieder gewählt. Als die BDP sich 2014 in DBP (Partei der demokratischen Regionen) umbenannte, wurde Ayna zur weiblichen Hälfte der genderparitätischen Doppelspitze gewählt. Für die Wahlen 2015 stellte sich Ayna nicht wieder zu Wahl. 2016 zog sie sich als Reaktion auf die türkische Militärbelagerung in kurdischen Städten, die hunderte Todesopfer forderte, aus der aktiven Politik zurück.

Angeklagt im sogenannten Kobanê-Verfahren

Emine Ayna ist eine von 108 Angeklagten im sogenannten „Kobanê-Verfahren“ und saß im Zusammenhang mit dem Prozess rund neun Monate in Untersuchungshaft. In dem Verfahren drohen den Angeklagten unter anderem 38-mal lebenslänglich (ohne Bewährung) für den Straftatbestand „Zerstörung der Einheit des Staates und der Integrität des Landes“ und des „vorsätzlichen Mordes“ hinsichtlich der Menschen, die bei Protesten gegen die IS-Belagerung von Kobanê und die Unterstützung des türkischen Staates für die Dschihadistenmiliz im Herbst 2014 ihr Leben verloren haben.