Nach siebeneinhalb Jahren Gefängnis
Die kurdische Politikerin Mukaddes Kubilay ist nach siebeneinhalb Jahren Haft aus dem Frauengefängnis Sincan in Ankara entlassen worden. Die ehemalige Ko-Bürgermeisterin von Agirî (tr. Ağrı) war im Dezember 2016 verhaftet und im darauffolgenden März des Amtes enthoben worden, ein Strafgericht verurteilte sie wegen Terroranschuldigungen zu siebeneinhalb Jahren Gefängnis. Die Verurteilung erfolgte im Zuge der Massenverhaftungen kurdischer und linker Mandatsträger:innen, 2016 wurden erstmalig Dutzende Städte und Gemeinden in Nordkurdistan unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt.
Vor der Frauenvollzugsanstalt im Nordwesten der türkischen Hauptstadt wurde Mukaddes Kubilay von vielen Menschen empfangen, unter anderem waren der DEM-Abgeordnete Sırrı Sakık und Aktivistinnen des Frauenrates der Partei gekommen. Die 69-Jährige hielt eine kurze Ansprache und erklärte: „Außerhalb der Gefängnismauern zu sein ist schön, aber nicht ohne meine Freundinnen.“ Acht ihrer Zellengenossinnen, darunter fünf zu lebenslanger Haft verurteilte Frauen, müssten schon längst frei sein, würden jedoch willkürlich weiter im Gefängnis gehalten. „Ich hoffe, dass diese Ungerechtigkeit so bald wie möglich überwunden wird und unsere Freundinnen ihre Freiheit wiedererlangen.“
Mukaddes Kubilay nach ihrer Entlassung in Sincan via MA
Mukaddes Kubilay ging 1990 in die aktive Politik. 1999 wurde sie die erste weibliche Bürgermeisterin der kurdischen Kreisstadt Bazîd (Doğubayazıt), damals noch unter dem Banner der 2003 in der Türkei verbotenen Partei HADEP. 2004 wurde sie wiedergewählt – sie hatte sich gegen acht männliche Kandidaten durchgesetzt. Bei der Kommunalwahl 2014 gewann sie zusammen mit Sırrı Sakık das Bürgermeisteramt in der Provinzhauptstadt Agirî.
Ursprünglich war die Entlassung von Mukaddes Kubilay für August 2022 vorgesehen. Zu dem Zeitpunkt hatte die Politikerin bereits drei Viertel ihrer Strafe abgesessen. Unter fadenscheinigen Vorwürfen wurde dies allerdings von den türkischen Vollzugsbehörden mehrmals verhindert. Mal unterstellten sie ihr eine „schlechte Sozialprognose“ und „fehlende Reue“, oder es wurde eine gegen Kubilay verhängte „Disziplinarmaßnahme“ als Begründung für die Aussetzung der Entlassung herangezogen.
Türkisches Feindstrafrecht gegen Kurdinnen und Kurden
In der Türkei entscheidet ein Verwaltungsausschuss darüber, ob Gefangene nach Vollendung ihrer regulären Strafe entlassen werden. Die Kriterien sind bizarr und reichen sogar bis zur Verweigerung eines Gesprächs mit einem Imam. Bei Mukaddes Kubilay entschied dieser Ausschuss sogar fünf Mal zu ihren Lasten – unter anderem wegen des Tanzens und Singens kurdischer Lieder. So musste die Kurdin fast zwei Jahre länger in Haft verbleiben als nach der geltenden türkischen Rechtslage nötig gewesen wäre. Kurdische Anwaltsorganisationen sprechen hierbei von einem Konzept des Feindstrafrechts.