Rheinmetall-Entwaffnen-Camp
Am Vormittag fand nach dem Vortrag über den Drohnenkrieg in Kurdistan eine antimilitaristische Protestaktion gegen das Militärtechnik-Unternehmen Hensoldt statt. Dieser deutsche Rüstungskonzern hat in der Vergangenheit türkische Bayraktar-Drohnen mit Sensor- und Kameratechnik ausgestattet, welche der türkische Staat bis heute bei seinem völkerrechtswidrigen Kampf gegen die kurdische Freiheitsbewegung einsetzt. Für das Bündnis war es daher wichtig den Standort von Hensoldt sichtbar zu machen und seine Solidarität mit der Revolution in Rojava zu verdeutlichen, bekräftigte Fiona Brinkmann, Sprecherin von Rheinmetall Entwaffnen: „Rojava, die Selbstverwaltung und die kurdische Freiheitsbewegung sind unsere politischen Verbündeten. Sie sind unsere Vorbilder. Sie sind der Adressat unserer politischen Solidarität. Sie sind in unseren Herzen und unseren Köpfen“.
An der Aktion gegen den Rüstungskonzern nahmen um die 120 Personen teil und es gab Redebeiträge von verschiedenen Aktivist:innen und Gruppen.
Drei Aktivist:innen wurde kurzzeitig in Gewahrsam genommen, weil sie die Fahnen von den Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPJ und YPG gezeigt haben sollen, welche genau mit der von der Firma gefertigten Technik in Rojava täglich angegriffen werden.
Wiederaufbau und Selbstbestimmung in Şengal
Im Vortrag „Die Revolution der ezidischen Frauen - Wiederaufbau und Selbstbestimmung in Şengal“ stellten eine Vertreterin vom Dachverband der ezidischen Frauenräte in Deutschland und eine Vertreterin der feministischen Organisierung „Gemeinsam kämpfen!“ die Errungenschaften der organisierten ezidischen Frauen in Şengal vor. Im vergangenen Jahr war eine Frauendelegation dorthin gereist, um die Aktivistinnen und Mitarbeiterinnen der vielfältigen Organisationen vor Ort zu interviewen. Die ezidische Gesellschaft beantwortet den Genozid und Feminizid, der 2014 durch den „IS“ begann, mit dem Aufbau einer basisdemokratischen, ökologischen und geschlechterbefreiten Selbstverwaltung. Diese wird insbesondere vom türkischen Staat als Grund für andauernde Drohnenangriffe genannt, die als Fortführung des Genozids zu bewerten sind.
Im anschließenden Gespräch kamen unter anderem die Perspektiven unterschiedlicher Glaubensgruppen zur Sprache und dass es darum gehe, einen friedlichen gemeinsamen Weg zu finden. Es wurde auch betont, wie beeindruckend und vorbildlich die Kraft und das Selbstbewusstsein der ezidischen Frauen sei.
© Rosa Wolf/ANF
Zur aktuellen Situation wurde mit Bezug auf verhinderte Delegationen aus Deutschland darüber hinaus thematisiert, dass sowohl Kräfte in Irak wie auch die deutschen Bundesbehörden dem ezidischen Volk der Weg versperren, sich weltweit bekannt zu machen und zu verbünden. Dem entgegengesetzt werden könnten stets weitere Versuche, in die Region zu reisen und dort die Strukturen kennenzulernen.
Feministische Perfomance gegen Krieg
Um 16:00 Uhr startete mit 30 Personen eine feministische Performance der autonomen feministischen Organisierung innerhalb des Bündnisses, welche an verschiedenen Orten in Kiel aufgeführt wurde. Dargestellt wurde eine soldatische Formation, welche sich auflöst. Die Performance ist ein feministisches Anti-Gelöbnis gegen Disziplinierung, Soldatentum und Militarisierung.
„Das feministische Anti-Gelöbnis ruft dazu auf, den Krieg zu verraten. Die Performance verdeutlicht, wir sterben nicht für einen patriarchalen Nationalstaat. Stattdessen rufen wir zum desertieren und sabotieren von Kriegen auf und sagen in aller Entschlossenheit: Krieg dem Krieg“, erklärte eine Sprecherin der feministischen Organisierung. Rheinmetall Entwaffnen versteht Krieg als schlimmsten Gewaltausbruch des patriarchalen-kapitalistischen Systems und stellt sich deshalb entschieden dagegen.
Männlichkeit und Militarisierung
Ebenfalls am Nachmittag fand eine Diskussionsveranstaltung und Aktion zu dem Zusammenhang zwischen Männlichkeit und Militarisierung statt. Zunächst tauschten sich alle Teilnehmenden über ihre persönlichen Erfahrungen im Alltag aus: Wodurch befeuert ein patriarchales Männlichkeitsideal Militarisierung, und wie bestärkt die Militarisierung wiederum ein patriarchales Männlichkeitsideal? Auch abseits der Schützengräben schaffen diese (Vor-)bilder der Männlichkeit eine Realität auf unseren Straßen, Arbeitsplätzen und Schlafzimmern, die voll von Gewalt und Rücksichtslosigkeit ist.
© Rosa Wolf/ANF
Damit die BRD bis 2029 kriegstüchtig werden kann, wie es der Verteidigungsminister Pistorius vorgibt, muss die Bundeswehr zu einer schlagkräftigen Angriffsarmee werden. Um ihre Reihen zu füllen wird auf Plakaten, aber insbesondere auf sozialen Medien wie TikTok und Snapchat, ein gezieltes Identitätsangebot besonders für junge Männer geschaffen, das Wirkung zeigt. In der Diskussion wurde betont, dass die „Tötung der dominanten Männlichkeit“ allein nicht ausreicht. Um nicht ein noch größeres Identitätsloch zu schaffen, sei es wichtig, sich auch mit positiven Visionen und Vorbildern von einer alternativen, freien Männlichkeit zu beschäftigen. Eine Männlichkeit, die nicht für ein vermeintliches Vaterland stirbt, sondern die Gesellschaft und die Werte der Menschlichkeit verteidigt.
Im Anschluss gab es eine Aktion am Kaiser-Wilhelm-Denkmal im Schlossgarten unter dem Motto: „Den Krieg verraten“. Dieses Denkmal des preußischen Kaisers steht symbolisch für Tugenden einer militaristischen Männlichkeit wie Obrigkeitshörigkeit und Kaltblütigkeit. Es wurden entsprechende Parolen gerufen und Handzettel zur Einordnung der Aktion an Passant:innen verteilt: Wir sterben nicht für die Kriege der Staaten und Konzerne!
Das Rheinmetall-Entwaffnen-Bündnis ruft weiterhin alle Interessierten und solidarischen Menschen dazu auf, am Camp vorbeizukommen und sich den Aktionen die kommenden Tage und der Demonstration am 7. September anzuschließen.