„Der Staat fürchtet die organisierte Kraft der Frauen“

Die HDP-Politikerin Yüksel Oğuz macht auf ständige Polizeiüberwachung im Vorfeld des 25. November in der Türkei aufmerksam: „Sie versuchen, Angst und Frustration zu erzeugen. Sie haben Angst vor der organisierten Kraft der Frauen.“

Überall in Nordkurdistan laufen die Vorbereitungen für den 25. November, den internationalen Kampftag gegen Gewalt an Frauen, auf Hochtouren. Am 17. November startete die Frauenbewegung TJA in Qoser (tr. Kızıltepe) eine achttägige Kampagne aus Versammlungen und Veranstaltungen, die in eine große Demonstration in der Provinzhauptstadt Mêrdîn am 25. November gipfeln soll.

Die Ko-Vorsitzende des HDP-Bezirksverbands von Kerboran, Yüksel Oğuz, die sich an der TJA-Kampagne beteiligt, spricht von einer Spezialkriegspolitik, die sich in Kurdistan insbesondere gegen die Frauen richte und sich auch in zunehmender patriarchaler Gewalt äußere. Nach der Zerstörung kurdischer Städte im Zuge der Militärbelagerung 2015 habe der türkische Staat alles daran gesetzt, die Beteiligung von Frauen am Kampf zu minimieren. Yüksel Oğuz betont, dass in diesem Sinne die Kampagne zum 25. November mit einem Grabbesuch bei Pakistan Öner, die durch ihren Ehemann ermordet wurde, und Garibe Gezer, die durch Folter im Gefängnis ermordet wurde, beginnen werde. In ihrem Gedenken werde der Frauenkampf fortgesetzt.

Über die Bedingungen ihrer Aktivitäten berichtet Yüksel Oğuz: „Ein Polizeifahrzeug steht vor unserem Stadtteilbüro. Sie verfolgen uns von unserer täglichen Arbeit bis zu öffentlichen Versammlungen, sie fahren uns bis zu Besuchen von Menschen zu Hause oder Trauerfeiern hinterher. Es gibt eine Politik der Unterdrückung und Einschüchterung, die auf die Gesellschaft im Allgemeinen angewandt wird, aber eine vielschichtige Politik wird gegen Frauen betrieben. Diese hat sich verstärkt nach den Kämpfen um Selbstverwaltung entwickelt. Der Staat hat Angst vor der organisierten Kraft der Gesellschaft und der Frauen. Diese Politik richtet sich vor allem gegen junge Frauen. Als Reaktion darauf haben wir beschlossen, im Rahmen der Veranstaltungen zum 25. November so viele junge Frauen wie möglich zu erreichen und sie in den organisierten Kampf einzubeziehen.“

„Drogenkonsum wird vom Staat gefördert“

Ein wichtiges Thema, mit dem sich die Frauenbewegung auseinandersetzt, ist der Drogenkonsum, sagt Oğuz: „In Kerboran beobachten wir, dass versucht wird, den Drogenkonsum zu erhöhen. Dies ist Teil des Spezialkriegs und richtet sich insbesondere gegen Viertel, in denen es während des Kampfes um Selbstverwaltung starken Widerstand gab. Wir befassen uns intensiv mit dem Thema. Einer der Bereiche, in dem es viele junge Männer und Frauen gibt, sind die Textilwerkstätten. Wir haben erfahren, dass Organisationen wie TÜGVA (Jugendstiftung des türkischen Staates) dort unter dem Deckmantel der Drogenbekämpfung hingehen und versuchen, mit den Jugendlichen ins Gespräch zu kommen und sie für sich zu gewinnen. Eine unserer Aktivitäten im Rahmen unseres Programms für den 25. November wird der Besuch dieser Werkstätten sein.“

Wie geht es weiter nach dem 25. November?

Yüksel Oğuz berichtet außerdem über die Politik des 2016 anstelle der HDP-Bürgermeister:innen eingesetzten Zwangsverwalters in Kerboran. Dieser Zwangsverwalter habe nicht nur die Fraueneinrichtungen geschlossen, sondern auch ihren gesamten Besitz beschlagnahmt. Bei den Kommunalwahlen 2019 habe dann die AKP gewonnen, allerdings habe die YSP bei den Wahlen im Mai 5.000 Stimmen mehr als die AKP erhalten. Oğuz setzt daher auf die voraussichtlich im März 2023 bevorstehenden Kommunalwahlen. So werde insbesondere die Vorbereitung für die Wahlen nach dem 25. November gestärkt, sodass die Frauen nach den Wahlen wieder einen starken Platz in der Stadtverwaltung einnehmen.