Cenî: Politischer Genozid in der Türkei

Zu der Verhaftung von Aktivistinnen in der Türkei erklärt das Frauenbüro Cenî: „Die antikurdische und frauenfeindliche Politik des türkischen Staates ist der klägliche letzte Schrei einer untergehenden männerdominierten und faschistischen Regierung."

Das in Düsseldorf ansässige Kurdische Frauenbüro für Frieden – Cenî hat sich in einer schriftlichen Erklärung zu der gegen die kurdische Frauenbewegung gerichteten Repressionswelle in der Türkei geäußert. Unter den am Dienstagmorgen festgenommenen Frauen befindet sich auch die TJA-Sprecherin Ayşe Gökkan, die vergangene Woche bei einer Online-Veranstaltung von Cenî aufgetreten ist. In der Erklärung heißt es:

Während Deutschland sich Gedanken macht, wann und wie man im Rahmen der Pandemie die Türen und Tore öffnet, um den Tourismus sowohl in Deutschland als auch in der Türkei anzukurbeln und somit die deutsch-türkische Freundschaft weiter wachsen zu lassen, nimmt die Festnahme von Menschen, die sich politisch engagieren zu.

Was politisches Engagement heißt? Seine Stimme und Kraft dafür aufzuwenden auf Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen und sich aktiv dagegen einzusetzen. Was Ungerechtigkeit bedeutet? Verbote wie die eigene Muttersprache zu sprechen, seine eigene Kultur auszuleben oder sich als Frau nicht gegen das Patriarchat äußern zu dürfen. Kurz: die Kriminalisierung eines ganzen Volkes und die Unterdrückung der Frau.

Das türkische Parlament beschloss im April die Freilassung von Gefangenen, um der Ausbreitung der Pandemie vorzubeugen. Mörder und Vergewaltiger - ja, politische Gefangene - nein danke.

In Zeiten der Corona-Pandemie, in der weltweit Gesetze verabschiedet werden, um Menschen aus Gefängnissen kurz- und langfristig zu entlassen, um die Ausbreitung des Virus zu vermeiden und Menschenleben zu schützen, haben wir es seit zwei Monaten mit einer nicht aufhörenden und immens steigenden Repressionswelle gegen Kurd*innen zu tun. Im klaren Fokus dabei: Frauen!

Es ist der verbitterte Versuch, die Stimmen der Demokratie und der Frauenrechte zum Schweigen zu bringen. Wir haben es seit zwei Monaten mit fast 100 Festnahmen zu tun von Menschen, die nicht hinnehmen wollen, in einem faschistischen Staat zu leben. Im Faschismus lebt es sich besser ohne demokratische Opposition.

Operation gegen die Demokratie

In Amed (Diyarbakir) und Dîlok (Antep) wurden heute früh dutzende Wohnungen von der Polizei gestürmt. Allein in Dîlok gab es 33 Verhaftungen - sie alle sind Mitglieder der HDP und DBP. In Amed ist gezielt gegen die Frauenbewegung vorgegangen worden. Unter den Festgenommenen sind Frauen wie Ayşe Gökkan, Sprecherin der TJA, Ayşe Güney, Sprecherin der Journalistinnenplattform Mesopotamien und Redakteurin von JinNews, sowie Elif Haran und Rabia Ateş vom Gefangenenhilfsverein TUAY-DER. Die Zielsetzung dieser Operation wird allein durch die Festnahmen deutlich: Das Mundtotmachen von starken weiblichen Stimmen: Ayşe Gökkan, Ayşe Güney, Panayır Çelik, Elif Haran, Rabia Ataş, Halime Bayram, Zekiye Güler, Zeynep Süncak Kaya, Figen Ekti, Rozerin Çatak, Güneş Özel, Hatun Sur, Demet Özkaran, Ronda Bat, Emine Kaya, Dilan Yakut, Selma Metin.

Wie es bei jedem faschistischen Staat zum guten Ton gehört, demokratische Haltungen zu kriminalisieren, zeigt uns die Türkei heute einmal mehr in der Praxis. Betrachten wir allein die letzten zwei Monate erkennen, wir klar die Tendenz eines bewussten politischen Genozids.

Die frauenfeindliche Politik des Männerbündnisses AKP-MHP nimmt von Tag zu Tag zu. Jeden Tag sind Aktivistinnen betroffen von Razzien in ihren Wohnungen, was heute Morgen erneut der Fall war.

Es liegen ebenfalls Belege vor, dass die Frauenaktivistin Rojbin Çetin während ihrer Festnahme sexuell erniedrigt und gefoltert wurde. Solch ein menschenverachtendes und rechtswidriges Verhalten wird durch das Schweigen des internationalen politischen Parketts geduldet. Zu schweigen bedeutet nur, die Schuld zu teilen.

Die antikurdische und frauenfeindliche Politik des türkischen Staates ist der klägliche letzte Schrei einer untergehenden männerdominierten und faschistischen Regierung. Und genau deswegen werden wir nicht aufgeben, solidarisieren uns nicht nur, sondern setzen uns aktiv für unsere Mitstreiterinnen in der Türkei ein. Wir dulden nicht, dass gezielt zentrale Vorreiterinnen wie die Mitglieder des Frauenvereins Rosa und der TJA hinter Gittern mundtot gemacht werden und bewusst frauenbefreiende und den Frieden anstrebende Politik vernichtet wird. 

Darum fordern wir sowohl von den internationalen Institutionen als auch von euch, erhebt eure Stimme gegen diese Menschenrechtsverletzungen. Es ist kein Verbrechen, sich für Demokratie einzusetzen, aber es ist ein Verbrechen, gegen Faschismus zu schweigen.