Besê Erzincan hat sich als Mitglied der Koordination der KJK (Gemeinschaft der Frauen Kurdistans) im ANF-Interview zur aktuellen politischen Lage geäußert. Wir veröffentlichen einen Ausschnitt in deutscher Übersetzung, in dem Besê Erzincan auf die Bedeutung Abdullah Öcalans und seine Isolation eingeht und die Rolle des Westens bei der türkischen Besatzung Südkurdistans bewertet.
Warum wird Abdullah Öcalan so konsequent von der Öffentlichkeit isoliert?
Rêber Apo [Abdullah Öcalan] leistet seit über 22 Jahren mit einem außergewöhnlichen Willen und unter sehr schwierigen Bedingungen Widerstand gegen das Isolations- und Foltersystem auf der Gefängnisinsel Imrali. Unter diesen Isolationsbedingungen ist es ihm gelungen, für die Befreiung von Frauen, unseres Volkes und der Völker der Welt gegen das System der kapitalistischen Moderne ein Gedankensystem und Kampfmethoden zu entwickeln, nach denen die Menschheit größten Bedarf verspürt.
Er hat eine Agenda, eine Philosophie und ein System für die Befreiung von Frauen und die gesamte Menschheit auf der Welt, im Mittleren Osten und in Kurdistan vorgelegt. Mit seinen auf Imrali verfassten Verteidigungsschriften hat aufgezeigt, wie eine hinsichtlich der Befreiung der Menschheit kritische und schwierige Schwelle überwunden und ein freies Leben aufgebaut werden kann. Er hat den Sozialismus zu neuem Leben erweckt und zu einer Hoffnung gemacht. In der Frage der Frauenbefreiung hat er innerhalb weniger Jahre Entwicklungen angestoßen, die ganze Jahrhunderte beansprucht hätten. Damit befindet er sich immer noch in einer für die weltweiten Entwicklungen wegweisenden Position. Rêber Apo ist es mit seiner Haltung, seinen Gedanken und der von ihm erschaffenden Organisierung gelungen, maßgeblich auf Kurdistan und den Mittleren Osten einzuwirken. Die aktuellen Entwicklungen zeigen erneut, wie wichtig es für die Revolution in Kurdistan und die Frauenrevolution ist, Rêber Apo zu verstehen und seine Gedanken umzusetzen.
Der türkische Staat führt seit dem 23. April umfassende Besatzungsangriffe auf die Medya-Verteidigungsgebiete durch. Wird diese Invasion von den USA und Europa unterstützt?
Seit April findet in den Regionen Zap, Metîna und Avaşîn einer der größten Widerstandskämpfe in der Geschichte Kurdistans gegen den faschistischen türkischen Staat statt. Dieser Krieg ist als Ergebnis eines Deals zwischen den USA und dem türkischen Staat geplant und in die Praxis umgesetzt worden. Die USA haben im Gegenzug zur Anerkennung der Genozids an den Armenier:innen den Genozid am kurdischen Volk unterzeichnet. Dabei handelt es sich um eine sehr scheinheilige Haltung. Die USA haben den auf einen Völkermord abzielenden Krieg des türkischen Staates gegen die Kurd:innen genehmigt. Das ist bekannt. Das kurdische Volk und die kurdischen Frauen werden es den USA niemals verzeihen.
Es ist also nicht nur der türkische Staat, der einen Völkermord an den Kurd:innen verübt. Auch die USA und Europa sind dafür verantwortlich. Wir betrachten diesen Krieg gleichzeitig als Feminizid und Krieg gegen freie Frauen. Somit sind auch die USA und die europäischen Staaten gegen die im Mittleren Osten von kurdischen Frauen angeführten und immer größer werdenden Kämpfe für die Befreiung von Frauen und Gesellschaft. Die USA und Europa unterstützen diese Kriegspolitik. Wir verurteilen die unmenschliche, gewissenlose, egoistische Politik des Völkermords und Feminizid. Wir fordern diese Staaten auf, ihre Unterstützung für den frauen- und kurdenfeindlichen Staat einzustellen. Und wir erklären ein weiteres Mal, dass wir als Frauen bis zum äußersten gegen die mörderische Politik des türkischen Staates und die Unterstützung durch das System der kapitalistischen Moderne Widerstand leisten werden. Wir werden im Mittleren Osten weiter gemeinsam und organisiert kämpfen und uns in jedem Fall befreien.