Das Netzwerk Women Weaving the Future veranstaltet vom 5. bis 6. November die internationale Frauenkonferenz „Unsere Revolution: Das Leben befreien“ an der Technischen Universität in Berlin. Haskar Kırmızıgül von der Akademie für Jineolojî bereitet die Konferenz mit vor und hat sich gegenüber ANF zu den Inhalten und Zielen geäußert. Die Veranstalterinnen gehen davon aus, dass sowohl die Beteiligung als auch die Inhalte sehr umfassend sein werden. Haskar Kırmızıgül sagt, dass die Teilnehmerinnen aus Frauenbewegungen verschiedener Länder kommen und sich gegen die kapitalistische Moderne und das von Männern dominierte System zusammenschließen wollen.
Haskar Kırmızıgül, Mitorganisatorin von „Unsere Revolution: Das Leben befreien“
„Women Weaving the Future“ wurde von der kurdischen Frauenbewegung ins Leben gerufen und weitet sich allmählich aus: „Das Netzwerk wurde 2018 gegründet, und Frauenbewegungen aus Lateinamerika, dem Nahen Osten, Asien und Europa sind an der Organisation beteiligt, es ist ein gemeinsames Netzwerk. Dies ist bereits der Zweck: Den Kampf von Frauen gegen das von Männern dominierte System und die kapitalistische Moderne weiter zu vereinen, Gemeinsamkeiten zu finden und die Energie des antisystemischen Kampfes von Frauen an einem Ort zu sammeln. Die Konferenz ist eigentlich eine Fortsetzung davon. Diesmal findet sie an der Technischen Universität in Berlin statt."
800 Anmeldungen aus 41 Ländern
Haskar Kırmızıgül weist darauf hin, dass die Konferenz nicht nur für die kurdische Frauenbewegung, sondern auch für viele andere Bewegungen wichtig sei: „Mehr als 800 Personen aus 41 Ländern haben sich angemeldet, und wir mussten den Anmeldeprozess sogar abbrechen, weil der Raum nicht ausreicht. Europa ist nicht das Zentrum, aber es gibt Frauen aus diesen 41 Ländern, die in Europa leben, so etwa Frauen aus dem Nahen Osten, Frauen aus Afghanistan. Es gibt auch Frauen aus dem Sudan, dem Jemen, Indien, den Philippinen, Guatemala, Kolumbien, Argentinien und europäischen Ländern. Ein weiterer bemerkenswerter Aspekt ist die große Nachfrage nach einer Teilnahme, diesmal vor allem aus den Balkanländern. Es gibt wieder palästinensische Frauen und von den Frauenbewegungen in der Türkei. Mit anderen Worten, wir streben eine so große Bandbreite an. Meiner Meinung nach gibt es genug Potenzial, um über die Zukunft der Frauen zu diskutieren."
Die Konferenz ist das Ergebnis eines Prozesses
Die Konferenz sei das Ergebnis eines Prozesses, erläutert Haskar Kırmızıgül und führt aus: „Interesse zeigen nicht nur Frauen, die wir direkt eingeladen haben. Bei der großen Mehrheit handelt es sich um Bewegungen und Kollektive, die die kurdische Frauenbewegung kennen. Viele sind mit der Ideologie der Frauenbefreiung und der auf Grundlage der Jineolojî stattfindenden Frauenrevolution vertraut oder wollen sie besser kennenlernen, weil sie sie als Inspirationsquelle betrachten und von einer so starken ideologischen Erfahrung und wissenschaftlichen Grundlage profitieren wollen. Einige Bewegungen sind sehr umfassend, wie zum Beispiel Ni Una Menos, die im Kampf in Lateinamerika Fortschritte gemacht hat. Es handelt sich auch um eine Bewegung, die in Europa stattfindet oder die in Europa Überlegungen anstellt. Die Teilnehmerinnen kommen aus Frauenstreiks, verschiedenen Frauenkollektiven, Frauenkooperativen und ökologischen Frauenbewegungen. Gleichzeitig ist einer der wichtigsten Punkte der Kampf der Frauen aus Abya Yala, das heißt aus den lateinamerikanischen Ländern, gegen die multinationalen Konzerne, sowie die Netzwerke der Dachorganisationen, die sich aus dem Kampf der indigenen Völker um ihre eigene Existenz gebildet haben.“
Die Formel „Jin Jiyan Azadî“
Kırmızıgül sagt, „Jin Jiyan Azadî“ (Frau Leben Freiheit) sei eine von Abdullah Öcalan initiierte Zauberformel: „Sie war bereits vor den von Frauen angeführten Aufständen in Iran und Rojhilat (Ostkurdistan) als Thema einer Sitzung im Konferenzprogramm festgelegt, und zwar zu der Frage ,Wie weben wir die Zukunft, wie finden wir unseren Weg?' Einer der Sitzungstitel lautet ,Jin Jiyan Azadî'. Das ist natürlich kein Zufall, denn es handelt sich um eine Lebensphilosophie, die sich die kurdische Frauenbewegung immer wieder auf die Fahnen schreibt. Ein Slogan, aber auch eine Lebensphilosophie. Sich auf einer ideologischen Grundlage zu bewegen, ohne ihren Ursprung zu sehen oder ihn zurückzuweisen, führt nicht zu Ergebnissen. In diesem Sinne versuchen wir, es auf der Konferenz sichtbar zu machen. Zum Beispiel werden die Teilnehmerinnen auf der Konferenz mit dem Spruchband ,Jin Jiyan Azadî' in mehr als 20 Sprachen begrüßt. Das ist natürlich symbolisch. Es geht darum, mit dieser Grundformel dem Leben einen Sinn zu geben, die Frauen richtig zu definieren und den dafür notwendigen Kampf mit allen Mitteln zu führen. Dabei kann es sich um eine Organisation handeln, um die Gründung einer Genossenschaft, um eine Akademie, um die Einrichtung einer Selbstverteidigungseinheit oder um eine wissenschaftliche Herausforderung. Das wird natürlich auch diskutiert werden und ist einer der Gründe, warum die Konferenz auf noch größeres Interesse stößt als die erste Konferenz. Wir können sagen, dass diese Beteiligung, dieser Wunsch und der gemeinsame Kampf das Ergebnis einer großen Anstrengung sind."
Entstehungsgeschichte von „Jiyan Jiyan Azadî“
Abkehr vom westlich geprägten Denken
Haskar Kırmızıgül sagt, dass bei der Erstellung des Konferenzprogramms und der Festlegung der Teilnehmerinnen auf Folgendes geachtet wurde: „Es geht uns darum, sowohl ein Gleichgewicht zwischen allen Kontinenten zu schaffen als auch sich bei der Bewertung der eigenen Probleme von einer westlich geprägten Perspektive zu lösen und die praktischen Erfahrungen der Frauenkämpfe in verschiedenen Regionen der Welt aufzuzeigen. Dafür gibt es starke Theoretikerinnen, Akademikerinnen, die Frauen weltweit inspirieren. Darunter sind beispielsweise die Soziologin und Ökofeministin Ariel Salleh, Genevieve Vaughan, die sich mit Gift Economy beschäftigt, Kavita Krishnan aus Indien, Lolita Chavez von den Feministas Abya Yala aus Guatemala oder Vilma Almendra aus Kolumbien, die aus verschiedenen Frauenbewegungen kommen und sowohl praktische als auch theoretische Kämpfe gemeinsam führen. Eine Freundin ist Aktivistin der schwarzen Bewegung in den USA. Ein besonderer Pluspunkt dieser Konferenz ist, dass auch Teilnehmerinnen aus dem Nahen Osten und Afghanistan anwesend sind. Auch eine Vertreterin der philippinischen Frauenbewegung, eine unserer wichtigsten Bündnispartnerinnen, wird wie üblich anwesend sein.“
Wohin soll sich das Netzwerk entwickeln?
Natürlich sei es nicht möglich, in zwei Tagen ein Programm zur Veränderung der Welt festzulegen, aber eine Grundlage sei bereits geschaffen: „Die von der kurdischen Frauenbewegung im letzten Jahrzehnt geleistete Arbeit bildet die Grundlage dafür. Natürlich handelt es sich nicht nur um eine Konferenz, auf der Dinge besprochen werden und die dann beendet wird. Auch das ist sehr wichtig. Wie können wir auf dieser Konferenz und vor allem in den Workshops, die wir veranstalten werden, eine gemeinsame Frauenwiderstandsfront gegen Faschismus und zu den Themen Ökonomie und Ökologie schaffen, oder wie können wir ein Programm entwickeln, das verschwindende Sprachen und Kulturen lokaler Völker fördert, oder wie können wir wirtschaftliche Schritte unternehmen? Es wird Workshops darüber geben, wie sich Frauenbewegungen sowohl innerhalb als auch außerhalb des Systems entwickeln und wie wir frauenzentrierte Kämpfe vorantreiben können. Meiner Meinung nach sind die Workshops auch Bildungsarbeit, was sehr wichtig ist. In den Workshops werden die Konferenzteilnehmerinnen ihre eigenen Erfahrungen diskutieren, so dass neben den allgemeinen Inputs ein breites Spektrum an Erfahrungen einfließen kann. Bei der Organisation der Workshops haben sich die Erfahrungen aus der Jineolojî-Arbeit ausgewirkt. Es wird eine Diskussion darüber geführt, wie Frauen in allen Bereichen, in denen eine männliche Vorherrschaft besteht, Alternativen schaffen können. Dafür nehmen wir uns einen halben Tag Zeit. Die Diskussionen und vielleicht auch Vorschläge, die sich aus diesen Workshops ergeben, werden die Zukunft der Konferenz bestimmen. Es geht um die Frage, wohin sich dieses Netzwerk entwickeln wird. Mit anderen Worten, es sollte eine funktionale Konferenz sein, auf der nicht nur theoretische Diskussionen geführt werden und die dann wieder verschwindet.“
Abschließend hält Haskar Kırmızıgül fest, dass bereits der Vorbereitungsprozess der Konferenz ein Netzwerk erfordert: Von der Organisation von Übersetzer:innen bis zur Vorbereitung von Dokumenten, von der Erstellung von Programmen bis zur Aufnahme von Gästen. Die kurdische Frauenbewegung und insbesondere der Berliner Frauenrat Dest-Dan leisten dabei einen großen Beitrag, sagt Haskar: „Ich glaube schon jetzt, dass diese Konferenz ein großer Erfolg sein wird, dass sie eine große Hoffnung und einen großen Anspruch erweckt. Ich möchte allen, die dazu beitragen, meinen Dank und meine Anerkennung aussprechen.“
Da keine weiteren Anmeldungen für die Konferenz mehr möglich sind, kann sie per Livestream via zoom (Meeting ID: 84741991460) mit dem Password 841626 verfolgt werden.