Ayşe Gökkan: Ich bin angeklagt, weil ich Kurdin bin

Die in der Türkei inhaftierte TJA-Sprecherin Ayşe Gökkan erklärte im Prozess in Nisêbîn, sie sei angeklagt, weil sie Kurdin sei. „Ich werde im Gefängnis weiter kämpfen. Niemand kann mich von meinem Widerstand abhalten“, so die kurdische Politikerin.

In Nisêbîn (tr. Nusaybin) hat am Freitag die erste Verhandlung im neu aufgerollten Prozess gegen die kurdische Politikerin Ayşe Gökkan stattgefunden. Die Sprecherin der Bewegung freier Frauen (Tevgera Jinên Azad, TJA) und ehemalige Bürgermeisterin von Nisêbîn befindet sich als politische Gefangene in der Haftanstalt Sincan und ist bereits in mehreren Prozessen zu jahrzehntelanger Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Verhandlung in Nisêbîn wurde von TJA-Aktivistinnen, dem Rat der Friedensmütter und Politikerinnen der DBP, HDP und YSP beobachtet.

Die Angeklagte selbst wurde aus Sincan über eine Videoübertragung zugeschaltet und sagte in der Verhandlung, in den 65 Tagen ihrer offiziellen Amtszeit als Bürgermeisterin von Nisêbîn seien 300 Strafverfahren gegen sie eingeleitet worden. In dem aktuellen Prozess ist Gökkan wegen ihres Widerstands gegen den Bau einer Mauer an der türkisch-syrischen Grenze im Jahr 2013 angeklagt.

Vor Gericht erklärte Ayşe Gökkan, sie weigere sich, einen Dolmetscher zu bezahlen, wenn sie in ihrer Muttersprache spreche. Hinsichtlich der Anschuldigung, sie habe einen Drahtzaun an der Grenze beschädigt, verwies die Politikerin auf internationale Abkommen und sagte: „Damals haben alle staatlichen Stellen Straftaten begangen, nur meine Handlung war keine Straftat.“

Ein Soldat spielte mit seinem Penis“

Während ihrer Mahnwache gegen den geplanten Mauerbau an der Grenze zwischen Nisêbîn und Qamişlo sei sie Drohungen und sexualisierter Gewalt ausgesetzt gewesen, berichtete Gökkan: „Es heißt doch immer, dass Soldaten Menschen mit Ehre und Anstand sind. Ein Soldat hat jedoch vor meinen Augen mit seinem Penis gespielt. So ehrlos waren sie tatsächlich.“ Das nach ihrer Strafanzeige eingeleitete Verfahren sei nach zwei Monaten eingestellt worden. Zu Begründung für die Einstellung sei gesagt worden: „Unsere Soldaten tun so etwas nicht.“

Niemand kann mich von meinem Widerstand abhalten“

„Ich habe weder der Menschheit, noch dem öffentlichen Gewissen und der Moral geschadet. Sie werfen Menschen aus Hubschraubern und lassen Bomben regnen. Ich habe niemandem solchen Schaden zugefügt. Warum werde ich beschuldigt und sie nicht? Sie schicken Müttern die Leichen ihrer Kinder in Plastikbehältern, sie zerstören Friedhöfe. Ich habe das nicht getan“, erklärte Ayşe Gökkan weiter. Sie sei angeklagt, weil sie Kurdin, eine Frau aus Kurdistan sei: „Aber ich werde im Gefängnis weiter kämpfen. Niemand kann mich von meinem Widerstand abhalten. Es lebe der Widerstand in den Kerkern! Ich werde mich nicht verteidigen, denn ich habe keine Straftat begangen.“

Polizei unterdrückt Solidaritätsbekundung

Die Verteidigung von Ayşe Gökkan beantragte Freispruch. Die Verhandlung wurde auf den 22. Dezember vertagt. Als die Prozessbeobachterinnen nach der Verhandlung eine Erklärung vor dem Gerichtsgebäude abgeben wollten, wurden sie von der Polizei umstellt. Beritan Güneş Altın, Abgeordnete der Grünen Linkspartei (YSP), brachte ihre Solidarität mit Ayşe Gökkan zum Ausdruck und sagte: „Wir erklären, dass dieses Land Gerechtigkeit braucht. Es braucht ein Rechtssystem und die Wahrheit.“