Anja Flach im Gazua in Porto

Am 2. Juli fand die letzte einer viertägigen Veranstaltungsreihe mit Anja Flach im Norden von Portugal im Zentrum Gazua in Porto statt.

Gazua ist ein feministisches Kollektiv, das im Februar 2018 eröffnet wurde. U.a. beinhaltet es eine Bibliothek, Ausstellungsräume, einen Konferenz- bzw. Musikraum, ein Café und einen kleinen Garten. Im Gazua fanden schon zahlreiche Veranstaltungen mit Widerstandsbewegungen statt, es hat Solidaritätsdemonstrationen für Efrîn in Porto organisiert.

Zu der Veranstaltung waren etwa 25–30 Personen gekommen. Anja erklärte die Situation in Kurdistan anhand von Karten und Bildern, berichtete von der Geschichte der kurdischen Freiheitsbewegung und insbesondere über den Frauenbefreiungskampf auch anhand ihrer eigenen Geschichte und ihrer Erfahrungen in der Guerilla und als eine Aktivistin der kurdischen Frauenbewegung. Sie arbeitet seit 25 Jahren im Hamburger Frauenrat.

Die kurdischen Frauenbewegung begann ihre Arbeit in den 1970er Jahren. In den 1980er Jahren nach dem Militärputsch stieg die Repression gegen die kurdische Bewegung dramatisch an und zahlreiche Frauen gingen in die Berge. Viele von ihnen waren fast noch Kinder, auch weil sie eine Alternative zu Zwangsheirat und Unterdrückung in der Familie suchten. Eine der Mitbegründerinnen war Sakine Cansız, die 2013 in Paris durch den MIT ermordet wurde.

Anja war für zweieinhalb Jahren in den Bergen und beteiligte sich 1996 an einer Frauenkonferenz, die sehr bedeutend war, da die Frauen sich durch sie so gestärkt fühlten, dass sie es schafften, ihr Ziel, den Aufbau einer Frauenarmee, mit großer Kraft voranzutreiben. Berîvan Zîlan war eine der Kommandantinnen von Anja und ist bis heute in den Bergen.

Anja stellte den Kampf in den Kontext der Region Mesopotamien. Viele verschiedene Ethnien leben dort, nicht nur Kurd*innen, es gibt eine große Diversität an Sprachen, Religionen und Kulturen (Armenier*innen, Araber*innen, Suryoye, Ezid*innen, Turkmen*innen) etc.

Danach sprach sie über die Befreiung von Kobanê und die Situation in den anderen Kantonen von Rojava und wie die Menschen sich dort auf der Basis des Demokratischen Konföderalismus organisieren. Dieser wurde von Abdullah Öcalan, der von den Kurd*innen sehr geliebten Führungspersönlichkeit, begründet, welcher sich seit 1999 in der Türkei in Haft befindet.

Anja berichtete von einer Konferenz junger Frauen im Kanton Cizîrê 2014, an der sich 250 Frauen beteiligten. Einer der einprägsamen Sätze der Konferenz, welcher als Parole an einer der Wände des Konferenzraumes hing, war: Die Revolution ist eine junge Frau, der Kapitalismus ein alter Mann.

Anja hatte auch noch Gelegenheit, uns über das Frauendorf Jinwar und die Kampagne „Women Rise up for Afrîn” zu berichten, die die Aufmerksamkeit auf das lenkte, was vor kurzem in Efrîn geschehen ist, wo schätzungsweise 3000 Menschen ihr Leben verloren, als die türkische Armee die Region Anfang des Jahres unter anderem auch mit einer Vielzahl von Kämpfern des sogenannten Islamischen Staates angriff.

Zwei Tage vor der Veranstaltung war der Frauensender Jin TV eröffnet worden, ein Grund zum Feiern.

Die Präsentation endete mit einer Frage-Antwort-Runde, allerdings waren die Zuhörer*innen ziemlich schüchtern. Wie eine Besucherin später erklärte, war sie regelrecht überwältigt von der Vielzahl interessanter Informationen. Fragen waren: „Warum hattest du dich entschlossen in die Berge zu gehen?”, „Wie weit kann diese Revolution sich im Mittleren Osten ausbreiten”, „Was können wir von hier aus tun?”

Die Diskussion ging während des nun folgenden Abendessens noch weiter, so dass genug Raum war, sich auszutauschen und das solidarische Netzwerk zu stärken.

Die gesamte Reise der Assembleia, begonnen in Setubal, über Lissabon und Coimbra nach Porto, hat nicht nur viel Wissen über die Revolution der Frauen und Rojava gebracht, sondern hatte auch den Effekt, dass die Feministinnen in Nordportugal wieder enger zusammengerückt sind und gemeinsame Pläne gemacht haben.