Die Repúblicas haben ihren Ursprung im 14. Jahrhundert, als der portugiesische König den Bau von Häusern für die Studenten von Coimbra befahl. Diese Häuser mussten – so das königliche Dekret – den Studenten der Universität zur Verfügung gestellt werden und die Höhe der Pacht wurde von einer Kommission festgelegt, die aus Bürgern der Stadt sowie Vertretern der Studentenschaft bestand.
Die heutigen Repúblicas genießen im portugiesischen Gesetz eine Sonderstellung als selbstverwaltete, gemeinnützige Organisationen. 1985 wurde das Gesetz, in dem der Status der Repúblicas festgelegt ist, erweitert, da einer República in Porto die Zwangsräumung durch den Eigentümer des Hauses drohte. Um in das Verfahren eingreifen zu können, musste die gesetzliche Stellung der Repúblicas verbessert werden. Heute sind die Repúblicas eine alternative Möglichkeit für Studierende, das Leben in einer Gemeinschaft zu üben. Ihre wesentlichen Kennzeichen sind Selbstverwaltung, gemeinsames Essen, wechselnder Küchendienst und gemeinsame Lernmöglichkeiten. Entscheidungen werden in der Regel von allen Bewohner*innen einstimmig getroffen.
Universitätsstadt Coimbra
Coimbra ist eine kleine Stadt im grünen Norden Portugals mit ca. 145.000 Einwohner*innen, von denen 30.000 Student*innen sind. Da Portugal im zweiten Weltkrieg neutral blieb, sind die Städte wunderschön, denn sie bestehen aus Altbauten. In Coimbra allerdings fehlt offensichtlich Geld, um die Bausubstanz zu erhalten. Viele alte Häuser stehen leer und drohen zu verfallen. Gentrifizierung, wie sie in Lissabon beginnt, ist hier jedoch noch nicht zu beobachten.
In Coimbra existiert eine der ältesten Universitäten Europas. Viele junge Menschen finden keine Jobs, daher versuchen sie sich mit immer neuen europäischen Stipendien über Wasser zu halten. Anna ist eine der Studentinnen aus der Rosa Luxemburgo. Sie berichtet mir, dass viele junge Menschen glauben, keine Zukunft in Coimbra zu haben, da es keine Jobs gibt. Auch sie hatte das Gefühl, die Stadt verlassen zu müssen, und hat ein Jahr in Berlin studiert. Doch sie kehrte zurück. „Eines Tages sah ich einen betrunkenen Mann auf die Gleise der S-Bahn stürzen, niemand half ihm. Ich schaute auf die Anzeige und sah, dass die nächste Bahn in vier Minuten kommt. Als einzige bin ich ins Gleisbett gesprungen und habe im hochgeholfen. Diese Kälte dort brachte mich dazu, nach Coimbra zurückzukehren“, begründet sie ihren Entschluss.
A Bombista
In Coimbra gibt es heute noch 25 Repúblicas. Die meisten sind eher unpolitisch, anders jedoch die República Rosa Luxemburgo, die sich als feministisch und links verortet. Sie wurde von der Kommunistin Fernanda Mateus mit dem Spitznamen A Bombista gegründet, einer Widerstandskämpferin gegen die Diktatur des Estado Novo, die 1974 mit der Revolução dos Cravos, der Nelkenrevolution, endete. Fernanda Mateus war während der Diktatur verhaftet und schwer gefoltert worden. Nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis gründete sie das Haus, das allerdings noch zehn Jahre lang dafür kämpfen musste, als „República“ anerkannt zu werden.
Da die Wohnungen der Repúblicas von der Universität finanziert werden, wohnen die Studierenden dort sehr günstig. Heute gibt es noch zwei feministische Repúblicas in Coimbra. In der Rosa Luxemburgo ist es Tradition, einmal im Jahr zum Tag der Republik alle ehemaligen Bewohnerinnen des Hauses einzuladen. So kam auch Fernanda Mateus - A Bombista - bis zu ihrem Tod vor zwei Jahren noch regelmäßig in die República und für die Generationen junger Frauen von Rosa Luxemburgo gab es immer die Möglichkeit, die Geschichte des Widerstandes hautnah kennenzulernen.
Assambleia Feminista de Coimba
Die Assambleia sieht sich als offene Gruppe von Menschen (Frauen und Männer - cis und trans - und nicht-binäre Menschen), die sich zum Ziel setzen, einen basisdemokratischen feministischen Kampf zu führen. Die Assambleia organisiert Veranstaltungen, Demonstrationen und Diskussionen zu feministischen Themen, um den Feminismus in der Stadt zu stärken. Es ist ihr besonders wichtig, Solidarität zwischen Frauen unterschiedlicher Herkunft, ethnischer Zugehörigkeit und sozialer Schichten aufzubauen. Sie wurde im Rahmen der Organisation vom 25. November 2016 und des internationalen Aufrufs #NiUnaMenos gegen Femizide gegründet. Sexismus in Portugal ist aufgrund des herrschenden Machismo sehr gewalttätig. Frauen berichteten mir über Übergriffe in Bussen und Bahnen sowie von aggressiver sexueller Belästigung in häuslicher Gewalt.
Die Assambleia Feminista de Coimba hat eine starke Verbindung zur kurdischen Frauenbewegung aufgebaut. Einige Mitglieder waren auf dem diesjährigen Jineologie-Camp in Bilbao, sie beteiligten sich an der Konferenz „Alternative Quest“ in Hamburg und am langen Marsch für die Freiheit Abdullah Öcalans.
Am 25. April, dem Jahrestag der Befreiung von der Salazar-Diktatur, organisierte die Assambleia eine Aktion auf dem Platz der Inquisition in Coimbra, um ihrer Verbundenheit mit dem kurdischen Frauenbefreiungskampf Ausdruck zu verleihen.
Veranstaltung zur Revolution in Rojava
Nach einem ausführlichen Vortrag über die Geschichte der kurdischen Frauenbewegung und der Situation in Rojava und speziell in Efrîn wurde intensiv über das Thema diskutiert. In Coimbra wollten die Frauen vor allem wissen, wie das Konzept der basisdemokratischen Selbstverwaltung in Portugal umgesetzt werden kann. Insbesondere das Thema Kooperativen wurde diskutiert, da es in Portugal eine solche Tradition schon lange gibt. Die ökologische Kooperative Minga in Montemor wurde als Beispiel genannt.
Wie auch schon auf Veranstaltungen zuvor wurde viel nach der Bedeutung und Rolle Abdullah Öcalans gefragt. Ioanna, eine griechische Studentin, berichtete, dass die Rolle Öcalans auf Kreta, woher sie kommt, immer wieder zu Missverständnissen führe. „Viele Feministinnen können nicht verstehen, warum überall Portraits von Öcalan hängen“, so Ioanna. Susana, eine der Aktivistinnen, sagte: „Als ich begonnen habe, das Buch von Abdullah Öcalan zu lesen, konnte ich es nicht mehr aus der Hand legen, denn es gab so viele Antworten auf meine Fragen.“
Jea, eine Aktivistin aus Italien, berichtete über das Leben von Sakine Cansız, denn ihre Biographie ist auch auf Italienisch erschienen. „Ganze Passagen in dem Buch sind einfach nicht übersetzt, sie sind auf Deutsch. Als ich einen kurdischen Genossen fragte, warum die Übersetzung nicht sorgfältiger gemacht wurde, sagte er mir, es sei manchmal wichtiger, dass ein Buch zur richtigen Zeit da sei, als dass es perfekt übersetzt wird, und das stimmt. Dieses Buch spielt gerade eine wichtige Rolle in Italien“, so Jea.
Die Assambleia plant ein Jineologie-Camp in Coimbra im November. Einige der Mitglieder wollen an einer geplanten Konferenz der kurdischen Frauenbewegung in Frankfurt teilnehmen. Eine Vertreterin des 4. Internationalistischen Ökosozialistischen Forums, das vom 23.–25. November in Lissabon stattfinden soll, wies auf die enge Verbindung von Frauenbefreiungskampf und Ökologie hin.
Die Krönung des Abends war das kurdische Essen, das von männlichen Genossen der Assambleia gekocht worden war. Als ich darüber berichtete, dass Abdullah Öcalan 1995 in der Parteischule der PKK Küchenarbeit für Frauen verboten hatte, da sie dies schon seit 5000 Jahren tun mussten und nun die Männer an der Reihe seien, war das wiederum ein Auslöser für Diskussionen und auch eine Antwort auf die Frage von Ioanna aus Kreta.