8. März: Wenn wir streiken, steht die Welt still!

Das kurdische Frauenbüro CENÎ und der Frauendachverband YJK-E rufen zum Frauenstreik am 8. März auf: „Wir kurdischen Frauen sagen: Wenn wir streiken, steht die Welt still! Wenn wir uns organisieren, verändern wir die Welt!“

Heute ist der internationale Frauenkampftag, ab 11.55 Uhr wird bundesweit gestreikt. Das kurdische Frauenbüro CENÎ und der Verband von Frauen aus Kurdistan (YJK-E) rufen zur Teilnahme auf:

Unsere Dörfer wurden niedergebrannt, unsere Familienmitglieder entführt und ermordet, wir wurden aufgrund unserer Identität als Kurdin oder aufgrund unserer politischen Arbeit verfolgt. Viele von uns wollten ihre Heimat nicht verlassen, sondern wurden dazu gezwungen – unter anderem aufgrund der Interessen des deutschen Staates an Krieg, Neuordnung und Ausbeutung des Mittleren Ostens und an einem mächtigen Handlanger Erdoğan. Als Geflüchtete in Deutschland geht die Verleugnung unserer Herkunft weiter. Obwohl wir die zweitgrößte Migrant*innengruppe in Deutschland sind, gibt es keine Übersetzungen von wichtigen Dokumenten oder Informationen auf Kurdisch. Wir sollen weiter die Sprache der Unterdrücker sprechen. Im Alltag sind wir ständig mit Rassismus und Sexismus konfrontiert. Anstatt uns nach unserer Geschichte und unseren Fähigkeiten zu fragen, werden wir als Schmarotzer verleumdet. Wir sollen deshalb als billige Arbeitskräfte jede Arbeit annehmen. Wir stellen uns gegen die Ausbeutung von geflüchteten Frauen als billige, rechtlose und für alles verfügbare Arbeitskräfte! Wir wollen eine Gesellschaft, in der wir alle gemeinsam mit unseren verschiedenen Fähigkeiten und Hintergründen frei zusammenleben!

Politische Verfolgung in Deutschland

In Deutschland geht auch die politische Verfolgung weiter. Wir werden unter Drohung von Abschiebung unter Druck gesetzt, unsere politischen Aktivitäten einzustellen. Unsere Symbole, unsere Slogans, unsere Demonstrationen werden kriminalisiert und verboten. Es gibt unzählige Fälle von unrechtmäßiger Polizeigewalt gegen uns. In deutschen Medien werden wir dargestellt, als wären wir Terrorist*innen und die türkische Regierung hätte ein Recht darauf, unsere Städte und Dörfer niederzubrennen und unsere Sprache und Kultur zu verbieten. Über unser vielfältiges politisches Engagement und über unsere Situation in Deutschland wird in den Medien nicht berichtet, obwohl wir regelmäßig zu tausenden friedlich auf die Straßen gehen. Als die hegemonialen Kräfte noch die Hoffnung hatten, die mutigen Kämpferinnen der Frauenselbstverteidigungseinheiten YPJ für ihr eigenen Zwecke benutzen zu können, wurden deren Bilder überall verbreitet. Heute sind diese Bilder aus der Öffentlichkeit verschwunden und es findet nicht einmal Erwähnung, dass die Befreiung der IS-Hochburg Raqqa von einer Frau angeführt wurde. Erst recht keine Erwähnung findet der gesellschaftliche Aufbau, den die Frauen in Rojava und Nordsyrien tagtäglich leisten, ihre eigenständige Organisierung in allen Bereichen der Gesellschaft und ihre erkämpften Rechte. Wir fordern ein Ende der Repression gegen die kurdische Bevölkerung und alle Geflüchteten in Deutschland! Wir fordern eine angemessene Berichterstattung über uns, vor allem über die Errungenschaften der Frauen!

Es reicht

Es reicht mit der ständigen Entmündigung, dem Schweigen, der Abwertung, der Vertreibung, der Zerstörung, dem Krieg. Unsere Freundin Leyla Güven, HDP-Abgeordnete und ehemalige Bürgermeisterin, ist am 8. November im als Folterknast berüchtigten Gefängnis von Dyarbakir/Amed in den Hungerstreik getreten, wo sie aufgrund ihrer Kritik an der türkischen Militärinvasion in der nordsyrischen Kantonshauptstadt Efrîn ein Jahr in Untersuchungshaft saß. Das faschistische Erdoğan-Regime hat mit Unterstützung der BRD die Türkei zu einem Land gemacht, in dem keine politische Arbeit mehr möglich sein soll. Hunderte von Frauenorganisationen wurden verboten. Die Ko-Bürgermeisterinnen wurden allesamt abgesetzt und durch einen männlichen Statthalter ersetzt. Im Vorfeld der Kommunalwahlen wurden etliche für die kurdischen Kommunen aufgestellten Kandidat*innen festgenommen, nachdem sie ihre Kandidatur bekannt gegeben haben. Leyla Güven  ergreift mit dem Hungerstreik die Initiative für Frieden und eine politische Lösung statt sich diesem Ersticken der Politik und der Kriegstreiberei zu ergeben. Ihrem Hungerstreik haben sich bislang über 300 politische Gefangene in den türkischen Gefängnissen und kurdische Aktivist*innen weltweit angeschlossen. Sie alle fordern ein Ende der Isolation Abdullah Öcalans, der aufgrund seiner Friedensbemühungen als Schlüsselfigur für eine Lösung der kurdischen Frage gilt. Er darf seit fast acht Jahren keinen Kontakt mit seinen Anwälten haben und ihm ist jegliche Kommunikation mit der Außenwelt untersagt.

Leylas Forderungen sind auch unsere Forderungen: Freiheit für Abdullah Öcalan! Frieden in Kurdistan!

Wir akzeptieren ein unwürdiges Leben, in dem wir unsere Herkunft, unsere Sprache, unsere Träume und unsere Vorstellungen eines freien Lebens verleugnen sollen, nicht!

Wir verweigern uns dem patriarchalen System

Wir kurdischen Frauen haben aus unseren Erfahrungen vor allem eines gelernt: wir streiken jeden Tag. Wir verweigern unsere Beteiligung am patriarchalen System. Dabei bleiben wir aber nicht stehen. Wir verwenden jeden Tag dafür, unser eigenes System, unsere Alternative aufzubauen. Wir organisieren uns als Frauen und lernen uns jeden Tag aufs Neue kennen. Wir organisieren unsere Vielfalt. Wir organisieren die Umsetzung unserer Hoffnungen, unserer Wünsche, unserer Träume. Wir organisieren uns in Räten und beschließen gemeinsam, was wir umsetzen wollen. Wir haben unsere eigenen Institutionen aufgebaut, wir haben unsere eigenen Fernsehsender, unsere eigene Presse, unsere eigene Gerechtigkeitskommission, unsere eigene Selbstverteidigung aufgebaut. Wir verstehen Streik im Sinne von Autonomie. Streik im Sinne von Selbstwerdung. Streik im Sinne von Vertrauen in unsere eigene Kraft. Streik im Sinne von Aufbau der Alternative. Und diese wollen wir gemeinsam mit euch aufbauen! Lasst uns deshalb den Streik neben gemeinsamen Aktionen  gegen Waffenfabriken, AfD und sog. Lebensschützer, gegen die Ausbeutung unserer wertvollen Fähigkeiten weiterführen und unsere wiedergewonnene Energie in den Aufbau einer anderen, schöneren, freieren Welt stecken!

Wir streiken, wir kämpfen, wir organisieren uns! Nicht nur am 8. März, sondern alle Tage! Wir werden nicht von den Straßen weichen, bis wir ein Leben in Freiheit und Würde erreicht haben!

Es lebe Leyla Güven! Es lebe Abdullah Öcalan! Jin, Jiyan, Azadi!"