42 Femizide in Nordkurdistan

In Nordkurdistan sind innerhalb eines Jahres 110 Frauen durch patriarchale Gewalt ums Leben gekommen. Dazu gehören 42 Femizide, 33 Selbstmorde und 35 verdächtige Todesfälle. Der IHD macht Justiz und Politik für die Gewalt gegen Frauen verantwortlich.

In Nordkurdistan sind innerhalb eines Jahres 42 Frauen ermordet worden. 33 Frauen haben Selbstmord begangen, 35 Frauen sind unter verdächtigen Umständen ums Leben gekommen. Das geht aus einem Bericht der Frauenkommission des Menschenrechtsvereins IHD hervor, der heute in Amed (türk. Diyarbakir) vorgestellt wurde.

Der Bericht trägt den Titel „Gewalt gegen Frauen in Ost- und Südostanatolien“ und umfasst den Zeitraum seit dem 25. November 2019, dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen. Präsentiert wurde er von der Soziologin Ezgi Sila Demir und der Rechtsanwältin Gurbet Yavuz in den Räumlichkeiten des IHD in Amed.

Einleitend erklärte Ezgi Sila Demir, dass Feminizide von Männern aus dem engsten Umfeld der misshandelten oder ermordeten Frauen begangen werden: Ehemänner, Partner, Liebhaber, Brüder, Väter. „Häusliche Gewalt oder Übergriffe kommen meistens nicht vor Gericht und werden als innerfamiliäre Angelegenheit abgetan. Kommt es trotzdem zur Anklage, werden ,gute Führung' und eine vermeintliche Provokation für eine Strafminderung geltend gemacht und die Täter werden zu einer milden Strafe verurteilt. Die Polizei betrachtet häusliche Gewalt in den meisten Fällen als Privatangelegenheit, nimmt keine Anzeige auf und überzeugt die betroffenen Frauen, in die Gewaltsituation zurückzukehren. Sexualstraftäter, die den Sicherheitskräften angehören, sind von einem Panzer der Straflosigkeit geschützt.“

Die Soziologin macht die Justiz und die Politik für die steigende Gewalt verantwortlich. Gewalttäter werden ermutigt, weil Feminizide strafrechtlich kaum geahndet werden. „Sowohl die Justiz als auch die Politik beschuldigen als erstes die Frauen und werfen ihnen vor, dass sie aus der gesellschaftlich festgeschriebenen Geschlechterrolle gefallen sind. Die Gerichte und die Verteidiger der Mörder hinterfragen das Leben der Frauen“, so Ezgi Sila Demir. Die von der Türkei ratifizierte Istanbul-Konvention zur Gewaltprävention werde nicht angewendet und in der Öffentlichkeit als familienfeindlich diffamiert.

Die meisten der 42 erfassten Femizide haben sich im vergangenen Jahr in der Provinz Amed ereignet: Dort sind neun Frauen von Männern ermordet worden. Es folgen Dîlok (Antep) und Gurgum (Maraş) mit jeweils vier Femiziden sowie Xarpêt (Elaziğ), Agirî (Ağri) und Mêrdîn (Mardin) mit jeweils drei Morden an Frauen.