Drohnenangriff: YPJ geben Identität von gefallenen Kämpferinnen bekannt

Die YPJ haben die Namen ihrer drei Mitglieder veröffentlicht, die bei dem türkischen Drohnenangriff auf Minbic ums Leben gekommen sind. Es handelt sich um die Kommandantin Şervîn Serdar sowie die Kämpferinnen Nûcan Ocalan und Canda Cûdî.

Die Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) haben die Identität von drei Kämpferinnen veröffentlicht, die am Freitag bei einem gezielten Drohnenangriff des türkischen Staates in Minbic in der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien (AANES) ums Leben gekommen sind. Wie die Generalkommandantur der YPJ mitteilt, handelt es sich bei den Gefallenen um Şervîn Serdar, Nûcan Ocalan und Canda Cûdî. Alle drei Kämpferinnen gehörten dem Frauenmilitärrat von Minbic an, Şervin Serdar war zudem Kommandantin des Verbands und zugleich Teil der militärischen Leitungs- und Kommandostruktur der YPJ. Diese erklären in einer Mitteilung:

„Tag für Tag greift der mörderische türkische Staat unser Volk und die Avantgarde der Revolution von Nord- und Ostsyrien mit Methoden an, die über die Grenzen des Krieges hinausgehen. Unser Kampf hat dem blutrünstigen Regime von Erdoğan große Angst eingejagt. Dessen Besatzerstaat wird von einem Spezialkriegsressort geführt; noch nie in der Geschichte hat es einen derart organisierten Völkermord gegeben. Das Zentrum dieses Völkermordes ist Syrien. Angetrieben von einem neo-osmanischen Verständnis will der türkische Staat, ein Überbleibsel des Osmanischen Reiches, unsere Regionen besetzen und beherrschen. Aus diesem Grund versucht er, jede Stimme, die sich für Freiheit und Demokratie erhebt, mit seinen umfassenden Angriffen zu unterdrücken.

Als Frauenverteidigungseinheiten haben wir seit Beginn unseres Kampfes als Schutzschild gegen diese Angriffe gestanden. Wir haben hunderte Freundinnen und Weggefährtinnen als Gefallene geopfert. Diese Tatsache hat allen Gesellschaften, die nach Freiheit und Gerechtigkeit streben, die Augen für ein neues Leben geöffnet. Mit ihrem Kampf gegen den IS sind die YPJ zum Ausdruck des Geistes von Frauen geworden, die ihre Existenz für die Menschheit opfern. Sie werden als neues Lebensmodell und Hoffnung für alle Menschen auf der Welt definiert. Doch diese mutigen Frauen werden von einem Tyrannen namens Erdoğan angegriffen, der dem Willen und der Existenz der Frauen feindlich gegenübersteht.

Es ist kein Zufall, dass am 15. September, dem Jahrestag des Überfalls auf Kobanê, revolutionäre Frauen zur Zielscheibe werden. Diese Feindseligkeit des türkischen Besatzungsstaates ist Ausdruck seiner Angst vor der Niederlage des IS. Gleichzeitig wird mit diesen Angriffen das Ziel verfolgt, den Willen und die Motivation der Revolution zu brechen. Doch die von Rêber Apo [Abdullah Öcalan] in unseren Gebieten geschaffenen Werte haben patriotische und demokratische Familien hervorgebracht. Dies wird es dem Feind niemals erlauben, Ergebnisse zu erzielen. Durch seinen Kampf und seine intensive Arbeit in ganz Syrien hat Rêber Apo eine Gesellschaft hervorgebracht, die sein Erbe, die Realität der patriotischen und demokratischen Familie, in sich trägt. Eine dieser Familien ist die von unserer Kommandantin Şervîn, die ihren Kindern die Liebe zu einem freien Land eingeprägt haben.“

Zur Identität der Gefallenen heißt es:

                                 

Codename: Şervîn Serdar

Vor- und Nachname: Îman Mehmûd Derwêş

Name der Mutter: Dilşa

Name des Vaters: Mehmûd

Todesort und -tag: Minbic, 15. September 2023

 

Şervîn Serdar wurde 1981 in der Stadt Dirbêsiyê (Al-Darbasiyah) geboren. Im Alter von siebzehn Jahren schloss sie sich der kurdischen Befreiungsbewegung an und ging zur Guerilla. Aus den Bergen kehrte sie zu Beginn der Revolution von Rojava wieder zurück. Seither war sie in der Verteidigung der Region aktiv. „Jeder Moment in den 25 Jahren des Widerstands verband Hevala Şervîn mit der tiefen Überzeugung von der Frauenbefreiungsideologie Rêber Apos und einem unerschütterlichen Geist der Opferbereitschaft. Die selbstlose Linie und die Militanz des Zeitgeistes sind auch Ausdruck der Persönlichkeit von Hevala Şervîn“, erklären die YPJ. Zuletzt war die Kommandantin unter anderem bei der „Operation Sicherheitsverstärkung“ in Deir ez-Zor im Einsatz.

                                   

Codename: Canda Cûdî

Vor- und Nachname: Sara Mihemed Ebdî

Name der Mutter: Şemsê

Name des Vaters: Mihemed

Todesort und -tag: Minbic, 15. September 2023

Canda Cûdî entstammte einer Familie aus Girê Spî (Tall Abyad). Die Stadt befindet sich seit einem Angriffskrieg im Jahr 2019 unter türkisch-dschihadistischer Besatzung. Diese Erfahrung sei ausschlaggebend für die Kämpferin gewesen, sich den YPJ anzuschließen. „Hevala Canda war Mutter von zwei Kindern und Verteidigerin der Werte ihrer Gesellschaft. Bis zum letzten Moment war sie der Revolution und den Pflichten, die sich aus ihr ergeben, verbunden. Sie tat dies nicht nur für die Zukunft ihrer eigenen Kinder, sondern für alle Kinder ihrer Heimat.

                                   

Codename: Nûcan Ocalan

Vor- und Nachname: Şîlan Mihemed Ehmed

Name der Mutter: Sîham

Name des Vaters: Mihemed

Todesort und -tag: Minbic, 15. September 2023

Nûcan Ocalan stammte aus Minbic und hatte sich als Heranwachsende den YPJ angeschlossen. Über sie heißt es: „Nûcan Ocalan repräsentierte den Geist der jungen Frauen in den Reihen der Freiheit. Ihre tiefe Verbundenheit zu den Werten der Revolution stärkte nicht nur ihre eigene Persönlichkeit, sondern spiegelte sich auch in jeder Aufgabe wider, die sie übernahm, um am Aufbau eines modernen und demokratischen Systems mitzuwirken.“

Weiter erklären die YPJ: „Unsere Kameradinnen Şervîn, Canda und Nûcan verkörperten den Geist wahrer Freundschaft, Einigkeit in der Zielsetzung und Richtung. Sie erfüllten ihre Aufgaben ohne Zögern, ohne Angst, im Geiste der Loyalität und opferten schließlich ihr Leben. Unser Beileid gilt in erster Linie ihren Familien sowie all unseren Menschen, die sich gegen die Angriffe der Besatzer wehren und nicht aufgeben.

Mit dem Fleiß und dem Blut von Freundinnen wie Şervîn, Canda und Nûcan haben wir jeden Fußbreit unserer Heimat von allen Arten der Unterdrückung der Invasoren gesäubert. Auf dieser Grundlage werden wir immer das Vermächtnis unserer Gefallenen schützen und Kämpferinnen der Rache sein. Weder unsere Kraft noch unsere Entschlossenheit werden sich brechen lassen.“

Dutzende Drohnenangriffe in der AANES in 2023

Şervîn Serdar, Nûcan Ocalan und Canda Cûdî waren am Freitagnachmittag durch die Bombardierung ihres Fahrzeugs getötet worden. Der Wagen bewegte sich im Süden von Minbic auf der Straße zum Dorf Al-Hattabat, als es von einer Killermaschine des türkischen Staates erfasst wurde. Eine der Kämpferinnen hatte den Drohnenangriff zunächst überlebt, erlag im Lauf des Tages jedoch ihren schweren Verletzungen. Ein männliches Mitglied des Militärrats von Minbic, der am Steuer des Fahrzeugs gesessen haben soll, wurde schwer verletzt und befindet sich in einem Krankenhaus.

Drohnen des türkischen Nato-Staates bewegen sich in dem von den USA und Russland kontrollierten Luftraum über Syrien unbehelligt. In den letzten drei Jahren hat die Türkei mehr als 200 Angriffe mit unbemannten Flugzeugen in der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien verübt. Von Dêrik bis Şehba gab es kaum einen Ort, der nicht von Killerdrohnen bombardiert wurde. Die Angriffe richteten sich gezielt gegen Vertreterinnen und Vertreter der Selbstverwaltung, Mitglieder von Kampfverbänden sowie die Zivilbevölkerung und forderten weit mehr als hundert Todesopfer. 

Nach Angaben des Rojava Information Center sind allein in diesem Jahr rund siebzig Menschen bei mehr als fünfzig türkischen Drohnenangriffen in der AANES ums Leben gekommen. 15 Todesopfer waren Zivilpersonen, die anderen gehörten den Militärverbänden an, die weiterhin gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ kämpfen und Widerstand gegen die türkischen Besatzungsangriffe leisten.