Zweiter Tag der Mahnwache in Straßburg gegen die Isolation von Öcalan

Hunderte Menschen haben vor dem Europarat in Straßburg sofortigen Kontakt zu Abdullah Öcalan und Aufklärung über seinen Zustand gefordert.

Vor dem Europarat in Straßburg haben erneut Hunderte Menschen gegen die Isolation von Abdullah Öcalan protestiert. Zu der dreitägigen Mahnwache hat der kurdische Europaverband KCDK-E aufgerufen. Nach dem Auftakt am Montag kamen heute Mitglieder der Föderationen FED-GEL und FCDK-KAWA aus Deutschland nach Straßburg, um sofortigen Kontakt zu Öcalan zu fordern. Unterstützt wurde die Aktion von der Kulturbewegung TEV-ÇAND. Der Musiker Hozan Şemdin trug Lieder vor, die von den Anwesenden mitgesungen wurden.

„Freiheit für Abdullah Öcalan, politischer Status für Kurdistan“

Am Kundgebungsort vor dem Europaratsgebäude wurde ein Zelt aufgebaut, in dem Kamuran Berwarî, ehemals Lehrbeauftragter der Universität Dihok in der Kurdistan-Region Irak, sich zum Hintergrund der aktuellen Situation in Kurdistan und der Notwendigkeit einer innerkurdischen Einheit äußerte.

„Es lebe Öcalan – Jin Jiyan Azadî!“

Parallel zu der Mahnwache führte eine Abordnung der Demokratischen Partei der Völker (HDP) und der Anwältinnen und Anwälte von Öcalan Gespräche mit Vertreter:innen politischer Parteien im Europarat. Am Mittwoch werden Aktivist:innen aus der Schweiz und von Jugendorganisationen die Mahnwache fortsetzen. Die Aktion soll am Mittwochnachmittag mit einer Pressekonferenz von Vertreter:innen kurdischer Institutionen und Europaratsparlamentarier:innen beendet werden.

Großer Andrang trotz Kälte

Hintergrund: Öcalan ist die Schlüsselfigur für eine Lösung der kurdischen Frage

Abdullah Öcalan, geboren am 4. April 1949, studierte politische Wissenschaften in Ankara. Er initiierte 1978 die Gründung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und führte als ihr Vorsitzender bis zu seiner Verschleppung im Februar 1999 den kurdischen Befreiungskampf aktiv an.

Neben zahlreichen Arbeiten über die Kultur und die Lage seines Volkes beschäftigte er sich in vielen Vorträgen und Büchern mit Themen aus den Bereichen Philosophie, Religion, Geschlechterfragen und Umweltproblematik und setzte sich immer wieder für ein friedliches Zusammenleben aller Völker im Mittleren Osten ein.

Seit seiner völkerrechtswidrigen Entführung aus Kenia am 15. Februar 1999 befindet er sich in einem Gefängnis auf der türkischen Insel İmralı im Marmarameer, mehr als zehn Jahre davon als einziger Gefangener. Am 29. Juni 1999 wurde er vom türkischen Staatssicherheitsgerichtshof zum Tode verurteilt. Inzwischen wurde die Todesstrafe in der Türkei abgeschafft und das Urteil gegen Abdullah Öcalan in eine verschärfte lebenslängliche Freiheitsstrafe umgewandelt.

Trotz der unmenschlichen Isolationshaft setzt er sich auch aus der Haft heraus im Rahmen seiner Möglichkeiten weiter für eine friedliche Lösung der kurdischen Frage ein. Er gilt weiterhin als führender Stratege und einer der wichtigsten politischen Repräsentanten des kurdischen Volkes .

In Isolationshaft auf der Insel İmralı verfasste Öcalan mehr als zehn Bücher, welche die kurdische Politik revolutionierten. Mehrfach initiierte er einseitige Waffenstillstände der Guerilla und lieferte konstruktive Vorschläge für eine politische Lösung der kurdischen Frage. Seine Konzepte wie der „demokratische Konföderalismus“ sind eine wesentliche Inspiration für das revolutionär-demokratische Projekt in Nordsyrien.

Ein „Friedensprozess“ begann 2009, als der türkische Staat auf Öcalans Aufrufe, die kurdische Frage politisch zu lösen, reagierte. Die Regierung brach den Dialog mit Öcalan und der PKK Mitte 2015 ab und setzt seither wieder auf eine militärische Vernichtungspolitik.

Seit dem 27. Juli 2011 wird Öcalan und seinen Mitgefangenen der Zugang zu Anwältinnen und Anwälten verwehrt. Eine Ausnahme bilden mehrere Anwaltsbesuche zwischen Mai und August 2019, die durch einen Massenhungerstreik erkämpft wurden.

Seit April 2015 ist die Gefängnisinsel İmralı vollständig von der Außenwelt isoliert. Keinerlei Besuch ist möglich, es gibt keine Kommunikation mit den Gefangenen. Das letzte Lebenszeichen war ein aus unbekannten Gründen nach wenigen Minuten unterbrochenes Telefonat zwischen Öcalan und seinem Bruder im März 2021.