Startschuss der Öcalan-Mahnwache vor dem Europarat

Vor dem Europarat in Straßburg hat eine dreitägige Mahnwache kurdischer Organisationen begonnen. Ziel der Initiative ist es, Maßnahmen zur Durchbrechung der Informations- und Kontaktsperre für Abdullah Öcalan einzufordern.

Vor dem Europarat in Straßburg hat eine dreitägige Mahnwache kurdischer Organisationen begonnen. Ziel der vom europaweiten Dachverband kurdischer Vereine KCDK-E ausgerichteten Initiative ist es, Maßnahmen zur Durchbrechung der Informations- und Kontaktsperre für Abdullah Öcalan einzufordern. Seit rund zwei Jahren gibt es inzwischen wieder kein Lebenszeichen mehr von dem kurdischen Vordenker, der seit 1999 im türkischen Inselgefängnis Imrali inhaftiert ist. Er darf weder seine Angehörigen empfangen noch seinen Rechtsbeistand konsultieren – ein klarer Verstoß gegen das Folterverbot. Doch Europa tut sich im Fall Öcalan schwer mit einem konsequenten Bekenntnis zu Menschenrechten und einer verantwortungsvollen Reaktion auf das auf Imrali institutionalisierte Unrecht.

Yüksel Koç: Zwangsmaßnahmen durchsetzen!

Eingeleitet wurde die Mahnwache mit einer Presseerklärung. „Das Ausbleiben von Informationen und Kommunikation mit der Außenwelt gibt der kurdischen Gemeinschaft Anlass zu großer Sorge“, erklärte Yüksel Koç, Ko-Vorsitzender des KCDK-E, mit Blick auf die seit Monaten weltweit geführten Proteste und Aktionen zum Thema Imrali-Isolation. Der Politiker erinnerte an einen Besuch des CPT, dem Anti-Folter-Ausschuss des Europarats, auf Imrali im vergangenen September und sprach die schwammige Informationslage dazu an.

Das Komitee selbst hatte angedeutet, Öcalan getroffen zu haben. Die Istanbuler Kanzlei Asrin, die den 73-Jährigen und dessen drei Mitgefangene Ömer Hayri Konar, Veysi Aktaş und Hamili Yıldırım juristisch vertritt, widerspricht den Aussagen des CPT und fordert die Veröffentlichung des Berichts über den Besuch auf der Insel. Diesen Report wiederum darf das Gremium aber erst nach Übermittlung seiner Erkenntnisse und nur mit der Erlaubnis der türkischen Staatsführung veröffentlichen.

„Das wiederum kann sich noch um Jahre hinziehen. Wir wissen aus der Vergangenheit, dass Ankara die Veröffentlichung von CPT-Berichten sehr lange verzögert hat. Deshalb schließen wir uns der Forderung des Rechtsbüros Asrin an und verlangen vom europäischen Antifolterkomitee, dass es Zwangsmaßnahmen gegen die Türkei zur Abschaffung der Isolationshaft einleitet. Die kurdische Gesellschaft fordert Aufklärung über den Besuch des CPT auf Imrali und Informationen über den Zustand der dortigen Gefangenen. Das geht nur, wenn ihrem Rechtsbeistand Zugang zur Insel gewährt wird“, so Koç.

„Imrali ist eine Neuauflage von Guantanamo - nur schlimmer“

Der Jurist Ömer Güneş von der „Plattform Freiheit für Abdullah Öcalan“ bezeichnete die Imrali-Isolation als Abschottung einer ganzen Gesellschaft. „Öcalans Isolationshaft steht symbolisch für das Schicksal aller Kurdinnen und Kurden. Er wird nicht nur eingesperrt, sondern seit bald 24 Jahren jeglicher Menschenrechte beraubt.“ Die Bedingungen, unter denen Öcalan auf Imrali festgehalten wird, seien eine „Neuauflage“ von Guantanamo, so Güneş. „Man kann Imrali mit Guantanamo vergleichen, gewiss. Nur dass es dort durch die totale Isolation noch viel härter ist. Das wissen auch Institutionen wie das CPT, der europäische Menschengerichtshof und auch die Vereinten Nationen. Sie könnten erwirken, dass dieses Isolationsregime abgeschafft wird. Weil sie sich jedoch weigern, ihre Missionen zu erfüllen, sind sie mitverantwortlich für die Situation Öcalans.“

Helen Dersim (TJK-E): Nur freie Menschen können für Lösungen verhandeln

Helen Dersim von der Kurdischen Frauenbewegung in Europa (TJK-E) bezeichnete Öcalan als Schlüsselfigur für eine Lösung der kurdischen Frage. „Seine Freilassung kann einen dauerhaften Frieden ermöglichen – in Kurdistan, das auf die Nationalstaaten Türkei, Iran, Irak und Syrien aufgeteilt ist, aber auch überall sonst in Nah- und Mittelost. Denn er ist der einzige Akteur mit einem Lösungsplan für die vielfältigen Probleme einer Region, die seit Jahren als dauerhafter Kriegsschauplatz gilt.“ Öcalan sei ein Architekt für Freiheit und Frieden und stehe hinter der Idee einer gleichberechtigten Koexistenz aller Menschen, so Dersim. „Seinem Paradigma gilt unsere volle Verbundenheit. Frieden bietet die einzige Lösung und Öcalan ist für diesen Prozess unerlässlich. Ohne die Partizipation von Öcalan kann aber kein Fortschritt auf dem Weg zu einer Lösung erzielt werden. Bevor Verhandlungen darüber beginnen können, muss der türkische Staat ihn zunächst freilassen. So wie Nelson Mandela vor und nicht nach den südafrikanischen Verhandlungen freigelassen wurde. Ansonsten könnten maximal nur Gespräche über Gespräche und keine tatsächlichen Verhandlungen stattfinden. Mandela betonte, dass nur freie Personen und keine Gefangenen für eine politische Lösung verhandeln können.“

Türkische Linke solidarisch mit dem „Kampf um die Freiheit von Abdullah Öcalan“

Weitere Statements wurden von Ahmet Karamus, dem Ko-Vorsitzenden des Nationalkongress Kurdistan (KNK), der ehemaligen HDP-Abgeordneten Nursel Aydoğan, dem früheren Bürgermeister der kurdischen Stadt Sêrt (tr. Siirt), Selim Sadak sowie Kamuran Berwarî, Ex-Lehrbeauftragter der Universität Duhok in der Kurdistan-Region Irak gehalten. Zu Wort kam auch Mehmet Cengiz vom Bündnis demokratischer Kräfte in Europa (ADGB), in dem linke Organisationen aus der Türkei vereint sind. Er schloss sich den Forderungen nach Aufhebung der Imrali-Isolation an und erklärte, dass das ADGB dem kurdischen Volk bei seinem „Kampf um die Freiheit von Abdullah Öcalan“ solidarisch und genossenschaftlich beistehen werde.

Kundgebung am Mittwoch

Die Mahnwache in Straßburg geht noch bis Mittwoch. Am Dienstag wird die Aktion von dem in Baden-Württemberg und Bayern organisierten Verband Fed-Gel gemeinsam mit der Föderation der Demokratischen Gesellschaften Kurdistans in Saarland und Hessen (FCDK-KAWA) gestaltet. Zum Abschluss der Initiative steht am letzten Tag eine Kundgebung an.