Zivile Seenotrettung im Mittelmeer wird systematisch sabotiert

Die Regierungen der EU-Staaten versuchen mit juristischen Tricks, die zivile Seenotrettung im Mittelmeer zu verhindern. Das Rettungsschiff Alan Kurdi ist seit fast einem halben Jahr auf Sardinien festgesetzt.

Am 9. Oktober 2020 brachte das zivile Rettungsschiff Alan Kurdi 133 gerettete Menschen, unter ihnen 62 Minderjährige, in Olbia auf Sardinien an Land. Statt für die erfolgreiche Rettung von Menschenleben Unterstützung von der EU zu erhalten, setzten die italienischen Behörden das Schiff im Hafen fest. Dort liegt das Rettungsschiff nun seit fast einem halben Jahr. Am 7. April soll vor dem Verwaltungsgericht in Cagliari auf Sardinien die Gerichtsverhandlung über die Freigabe der Alan Kurdi stattfinden. Während die staatliche Seenotrettung im Mittelmeer praktisch nicht mehr existent ist, sabotieren EU-Staaten, allen voran auch Deutschland mit schikanösen Verordnungen des Verkehrsministeriums, die zivile Seenotrettung. Offenbar soll das Sterben im Mittelmeer als Abschreckung für Schutzsuchende billigend in Kauf genommen werden.

Sie wollen uns zur Aufgabe bringen“

„Die Festsetzung der ALAN KURDI ist Teil eines systematischen Angriffs der italienischen Behörden auf zivile Seenotretter*innen“, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e.V. Immer wieder setzt die italienische Küstenwache Rettungsschiffe, die unter deutscher Flagge fahren, mit fadenscheinigen Begründungen fest. Anfang März wurden sogar Verfahren gegen 21 Seenotretter*innen der humanitären Hilfsorganisationen Ärzte ohne Grenzen, Jugend rettet und Save the Children eröffnet. „Gegen zivile Seenotretter*innen werden selbst die unlautersten Maßnahmen ergriffen, um den höchstmöglichen Druck aufzubauen. Ziel ist es, uns zur Aufgabe zu zwingen und die übergeordnete, politische Strategie, Schutzsuchende abzuwehren, mit allen Mitteln durchzusetzen“, so Isler weiter.

Gericht in Palermo: Schutz des Lebens wiegt schwerer als Anzahl von Toiletten

Vor kurzem konnte die Seenotrettungsorganisation Sea-Watch einen juristischen Erfolg vor dem Verwaltungsgericht in Palermo erstreiten. Die Entscheidung des Gerichts brachte den Zynismus der EU-Staaten auf den Punkt. Denn es musste den EU-Staaten wirklich erklären, dass der Schutz des Lebens und die völkerrechtliche Verpflichtung zur Rettung schwerer wiegen, als die Sorgen der italienischen Küstenwache über die Anzahl von Toiletten und das Volumen von Fäkalientanks. Auf der Grundlage ähnlicher Argumentation hat das deutsche Innenministerium gemeinsam mit dem Verkehrsministerium durchgesetzt, dass Rettungsschiffe unter deutscher Flagge ein Schiffssicherheitszeugnis benötigen. Auch hier überstieg der Eifer der Ministerien den gesetzlichen Rahmen und so wurde die Änderung der Schiffssicherheitsverordnung am 2. Oktober 2020 schließlich durch das Verwaltungsgericht Hamburg aufgehoben, da diese gegen Europarecht verstoße.

Blockade stellt auch finanzielles Problem dar

Obwohl die Alan Kurdi unfreiwillig im Hafen festgesetzt wird, fallen Hafengebühren, Personalkosten und Kosten des Rechtsstreits an. Bisher hat die Organisation Sea-Eye etwa 120.000 Euro finanziellen Schaden erlitten, der auch beim Umbau des neuen größeren Rettungsschiffs Sea-Eye 4 fehle. Das Schiff soll nach Ostern in Spanien starten. Isler erklärt: „Die Angst vor einer Festsetzung darf uns niemals vom Einsatz abhalten, denn sonst wäre die Strategie der Abschreckung erfolgreich und eine solche Politik darf sich in Europa niemals erfolgreich durchsetzen.“