Nachdem das Bayerische Oberste Landesgericht am 1. Dezember 2020 dem Verfolgungswahn der Münchener Staatsanwaltschaft einen vorläufigen Riegel vorgeschoben und das Zeigen von Fahnen und Symbolen der Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG/YPJ auch in Bayern erlaubt hat, sind jetzt auch alle diesbezüglichen Verfahren gegen Kerem Schamberger eingestellt worden. Das teilt der Kommunikationswissenschaftler auf seinem Blog mit.
„Die hinsichtlich der genannten Taten zu erwartende Ahndung fällt neben der zu erwartenden Verurteilung nicht beträchtlich ins Gewicht“ (§154 StPO), schreibt das Amtsgericht München. Laut Schamberger stellt das eine weitere Niederlage für den bayerischen Freistaat, seine Staatsanwaltschaft und letztendlich auch für das Bundesinnenministerium dar. Insgesamt wurde ihm in zwölf verschiedenen Fällen das Zeigen von YPG/YPJ-Symbolen vorgeworfen.
Kerem Schamberger bewertet diese Entwicklung als einen politischen Erfolg, der „auf den jahrelangen Widerstand von sehr vielen Menschen gegen diese Repression in Bayern, in Deutschland und im World Wide Web zurückgeht. Bereits Bertolt Brecht hat gesagt: ,Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren.' Wir haben gekämpft und an dieser Stelle gewonnen.“
Prozess geht trotzdem weiter
Die Staatsanwaltschaft München will jedoch noch immer nicht klein beigeben und lässt den Prozess gegen Schamberger insgesamt weiterlaufen. Denn es wurden nicht alle politisch motivierten Vorwürfe eingestellt:
„Angeklagt bin ich nach wie vor, weil ich nach der polizeilichen Durchsuchung meiner Wohnung am 13. November 2017 auf Facebook geschrieben hatte: „Von fünf bewaffneten Beamten morgens um 6 Uhr mit einer Hausdurchsuchung ‚geweckt‘ zu werden, weil man YPG/YPJ-Fahnen gepostet [hat]: gibt angenehmeres. Besonderes Geschmäckle: Zwei der Beamten haben türkischen Migrationshintergrund. Eine davon ist bekannt für ihre türkisch-nationalistische Gesinnung.“
Die Staatsanwaltschaft wirft mir vor, mit dieser Aussage die namentlich überhaupt nicht genannte Polizistin „in ihrer Stellung als bayerische Polizeibeamtin in der öffentlichen Meinung zu diffamieren.“ Völlig absurd, da es sich einfach um eine politische Einschätzung meinerseits handelt, die mit Diffamierung nichts zu tun hat. Zudem ist der Öffentlichkeit überhaupt nicht bekannt, um wen es sich dabei genau handelt.
Gleichzeitig wird mir allen Ernstes nach wie vor vorgeworfen, den Durchsuchungsbeschluss gegen meine eigene Wohnung teilweise auf Facebook veröffentlicht und damit die Öffentlichkeit über die mir „zur Last gelegten Taten“ informiert zu haben, bevor es zu einem Prozess gekommen ist. Wenn sie glauben, ich schweige auch noch zu den Dingen, die die Repressionsbehörden da veranstalten, dann täuschen sie sich.
Ein letzter Vorwurf, der auch aufrechterhalten wird, ist, dass ich im Dezember 2017 einen Beschluss des Amtsgerichts Aachens gepostet habe, auf dem es den Erlass eines Strafbefehls wegen einer YPG/YPJ-Fahne ablehnte. Es war damit eines der ersten Gerichte bundesweit, das diese Verfolgung nicht mitmachen wollte. Es bestand ein großes öffentliches Interesse an dieser Sache, wie hunderte Verfahren, Hausdurchsuchungen etc. deutlich machten. Deshalb musste darüber gesprochen werden.
Mit den Anklagen, die aufrechterhalten werden und die ihrem Inhalt nach eigentlich völlig nichtiger Natur sind, wird offensichtlich, dass die Münchener Staatsanwaltschaft ihre Verfolgungspolitik nach wie vor nicht beenden will, auch wenn (oder gerade weil) sie bezüglich der YPG/YPJ-Symbole eine schmerzhafte Niederlage erlitten hat.
Dann geht es eben weiter (bisher ist noch kein Termin für die Verhandlung angesetzt). Brechts weiter oben ausgeführter Gedanke ist auch hier immer noch maßgeblich. Danke für eure Solidarität!“.