„Wir wollen nicht sterben, sondern ein menschliches Leben”

In der Türkei wächst die Unzufriedenheit der Menschen mit der Politik der Regierung. In Istanbul beteiligten sich Tausende Menschen an einer Kundgebung der Arbeits-und Demokratiekräfte gegen Preiserhöhungen, Misswirtschaft und Korruption.

Mit jedem Tag wächst in der Türkei die Unzufriedenheit der Menschen mit der Politik der Regierung. Die Wirtschaftskrise hat die Arbeitslosigkeit auf fast 15 Prozent steigen lassen, den höchsten Wert seit Jahren. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt mit dreieinhalb Millionen unter 24-Jährigen sogar bei 27 Prozent. Zudem sind zwei Millionen Frauen ohne Beschäftigung.

Durch Klientelismus und die Kriegswirtschaft ist der Alltag in dem Land auf Dauer schwer erträglich. Die Inflation führte zu Preissprüngen bei wichtigen Verbrauchsgütern wie Grundnahrungsmitteln, Medikamenten oder Benzin. Signale einer Veränderungsbereitschaft seitens der Regierung: Fehlanzeige.

Um dagegen zu protestieren, zogen am Sonntag Tausende Menschen in Istanbul auf die Straße und forderten „ein meschliches Leben”. Zu der Großkundgebung hatte das Bündnis der „Arbeits- und Demokratiekräfte” aufgerufen, das sich als Reaktion auf diese beunruhigenden Entwicklungen in der Türkei formiert hat. In dem Bündnis sind Gewerkschaften wie KESK und DISK, aber auch zahlreiche politische Parteien wie die HDP und zivilgesellschaftliche Organisationen vertreten. Unterstützt wurde die Kundgebung unter anderem auch von der türkischen Ärztekammer und der Architektenkammer.

Der Protest fand im Bezirk Bakirköy statt. Zuvor strömten die verschiedenen Blocks unter ihren Fahnen und Transparenten den zentralen Marktplatz. Der Block der Demokratischen Partei der Völker (HDP) und des HDK, dem Demokratischen Kongress der Völker, einer Vereinigung zahlreicher linker politischer Bewegungen, Organisationen und Parteien, die sich zum Ziel gesetzt hat, die türkische Politik grundlegend neu zu gestalten und unterdrückte, ausgebeutete Personen zu vertreten, die von ethnischer, religiöser oder geschlechtsspezifischer Diskriminierung betroffen sind, hatte eher den Charakter eines Festivals. Lautstark wurde dort getanzt und Parolen wie „Es lebe die Revolution von Rojava”, „Wir werden die Zwangsverwalter verjagen” und „Preiserhöhungen, Repression und Arbeitslosigkeit – Das ist die AKP” skandiert. Auf Transparenten standen Forderungen wie „Eine Türkei frei von Ausbeutung, Palästen, Zwangsverwaltern”, „Wir wollen nicht sterben, sondern ein menschliches Leben” oder auch „Keine Kriegswirtschaft, sondern freie Marktwirtschaft”.

Die Wut der Protestierenden richtete sich gegen die Regierung des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, die Korruption zulässt sowie Milliarden in Krieg und in Bauprojekte investiert, das Gesundheits- und Bildungswesen allerdings großflächig vernachlässigt. In Redebeiträgen wurde auf die Anhebungen der Gas- Strom- und Benzinpreise hingewiesen, die in den letzten zwei Jahren in die Höhe geschossen sind. Außerdem machten die Redner*innen auf Millionen Menschen aufmerksam, die unter der Armutsgrenze leben müssen und in die Verzweifelung getrieben werden. In den vergangenen Wochen hatten sich in der Türkei mehrere Arbeitslose das Leben genommen, in dem sie Zyankali schluckten. Der Mindestlohn in der Türkei liegt unter der Armutsgrenze. Die Protestierenden kritisierten, dass Wirtschaftspakete der Regierung zwar viele „Solls”, allerdings nichts Konkretes bringen. Sie seien gleichzusetzen mit Luftblasen. 

Die Redaktion empfiehlt: