Was die fehlende deutsche Fahne in Ankara aussagt

Beim Zusammentreffen zwischen Erdoğan und Bundesaußenminister Heiko Maas fehlte die Deutschlandfahne. Die möglichen Auswirkungen des propagierten deutsch-türkischen Neuanfangs zeichnen sich dennoch bereits ab.

Bundesaußenminister Heiko Maas ist seit 2015 der zweite deutsche Amtsträger, der sich auf einen Sessel neben den türkischen Machthaber Tayyip Erdoğan in dessen Palast setzte. Im Vorfeld der Wahlen im November 2015 in der Türkei war Bundeskanzlerin Angela Merkel dem schwächelnden Erdoğan-Regime zur Seite geeilt.

Maas, der die Politik Ankaras in seiner Zeit als Justizminister wiederholt kritisiert hat, posierte bei seinem Türkei-Besuch sehr freundschaftlich mit dem türkischen Diktator und weiteren Regierungsvertretern. Auch das Fehlen der Deutschlandfahne bei seinem Zusammentreffen mit Erdoğan schien ihn nicht zu stören.

Eine offizielle Erklärung zu dem Treffen erfolgte nicht. Maas gab jedoch eine gemeinsame Pressekonferenz mit seinem türkischen Amtskollegen Çavuşoğlu, die Hinweise auf die künftigen Beziehungen zwischen Ankara und Berlin lieferte.

Welche Auswirkungen der propagierte „Neuanfang“ haben kann, lässt sich in folgenden Punkten zusammenfassen:

Repression gegen Kurden

Wie bei jedem Zusammentreffen zwischen türkischen und deutschen Amtsinhabern wird die Rechnung dafür umgehend den in Deutschland lebenden Kurdinnen und Kurden vorgelegt. Als Çavuşoğlu im vergangenen November freundlich mit dem damaligen Bundesaußenminister Gabriel in Antalya für die Presse posierte, fand ein massiver Polizeiangriff auf eine kurdische Demonstration in Düsseldorf statt. Vorwand für den Angriff waren Bilder des inhaftierten PKK-Gründers Abdullah Öcalans, von dem es seit Jahren kein Lebenszeichen mehr gibt.

Als jetzt Außenminister Maas in die Türkei flog, erschien zeitgleich die Meldung, dass die deutschen Behörden das für kommenden Samstag in Dinslaken geplante kurdische Kulturfestival verbieten.

Das Erdoğan-Regime fordert seit langem von der Bundesrepublik, die Repression gegen die kurdische Befreiungsbewegung zu verstärken. In Deutschland sind mittlerweile alle politischen Symbole der Bewegung verboten, etliche kurdische Einrichtungen sind durchsucht und kriminalisiert worden. Es ist zu erwarten, dass die Repressionsschraube im Vorfeld des Erdoğan-Besuches am 28./29. September in Berlin weiter angezogen wird.

Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit und Nachrichtendienste

Die nachrichtendienstliche Zusammenarbeit mit der Türkei ist im vergangenen Jahr aufgrund der intensiven Aktivität des türkischen Geheimdienstes MIT in Deutschland auf Eis gelegt worden. Die Verlautbarungen von Heiko Maas zu einer Verbesserung der Beziehungen mit der Türkei verweisen jedoch auf eine Zusammenarbeit auch in diesem Bereich. Çavuşoğlu hat von „intensiven Bemühungen für eine Normalisierung der Beziehungen“ gesprochen und damit eine Rückkehr zu früheren Mechanismen signalisiert, die nach dem gescheiterten Militärputsch in der Türkei zurückgefahren wurden. Möglich ist, dass der Informationsaustausch in Ermittlungsverfahren gegen kurdische Aktivisten und Oppositionelle aus der Türkei wieder gesteigert wird.

Deutsche in türkischen Gefängnissen

Ein weiteres wichtiges Thema in den deutsch-türkischen Gesprächen sind die aus politischen Gründen in der Türkei inhaftierten Deutschen, die zu Geiseln des Erdoğan-Regimes geworden sind. Aus den Verlautbarungen des Bundesaußenministers in Ankara geht hervor, dass es hierbei Fortschritte gibt. Welche Zugeständnisse es dafür von deutscher Seite aus gibt, ist unbekannt.

Flüchtlingsabkommen und Idlib

Aufgrund des innenpolitischen Drucks ist eine neue „Flüchtlingswelle“ die größte Sorge der Merkel-Regierung. Insofern liegt Berlin viel daran, das mit der Türkei geschlossene Flüchtlingsabkommen der EU aufrecht zu halten. Die Erdoğan-Regierung hat hinsichtlich der zu erwartenden Fluchtbewegung aus Idlib in Syrien bereits mit erneuten Erpressungsversuchen begonnen. Parallel dazu hat Bundesaußenminister Maas sich zu der großen Sorge der Bundesregierung über die Situation in Idlib geäußert.