Urteilsverkündung gegen türkisches Killerkommando im April

In Brüssel ist der Prozess um den geplanten Anschlag auf die kurdischen Politiker Remzi Kartal und Zübeyir Aydar fortgesetzt worden. Die Urteilsverkündung wurde für den 22. April angesetzt.

Im Prozess um den geplanten Anschlag auf die kurdischen Politiker Remzi Kartal und Zübeyir Aydar soll im April vor dem Strafgericht Brüssel das Urteil verkündet werden. Das gab das Gericht bei der heutigen Verhandlung bekannt. Angeklagt in dem Verfahren sind vier Personen, die als Mitglieder eines türkischen Todeskommandos an dem versuchten Attentat 2017 mitgewirkt haben sollen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen die Bildung einer kriminellen Vereinigung als auch die Beteiligung an ihr vor.

Bei den Angeklagten handelt es sich um Zekeriya Çelikbilek, ehemaliger Soldat der türkischen Armee mit Wohnsitz in Paris; Yakup Koç, früherer Sicherheitsberater der türkischen Botschaft im französischen Boulogne-Billancourt und Inhaber eines Ausweises des Dezernats für Terrorbekämpfung der türkischen Polizei; Koçs Schwiegersohn Necati Demiroğulları aus dem belgischen Gent sowie der kurdischstämmige Hacı Akkulak, der laut eigenen Aussagen von dem Todeskommando zur Informationsgewinnung für den türkischen Nachrichtendienst angeworben worden sein soll. Akkulak war es auch, der die kurdischen Stellen und die belgische Polizei über die Pläne des Killerkommandos informierte – nämlich politische Morde an Kurdinnen und Kurden in Europa.

Fürchtet belgische Justiz politischen Streit mit Ankara?

Die heutige Verhandlung dauerte nicht sonderlich lange, da die Angeklagten durch Abwesenheit glänzten. Lediglich der Verteidiger von Necati Demiroğulları saß im Gerichtssaal und wies die Anschuldigungen gegen seinen Mandanten zurück. Für Überraschung bei Rechtsanwalt Jan Fermon, der Remzi Kartal und Zübeyir Aydar juristisch vertritt, sorgte die Erkenntnis über einen neu zuständigen Staatsanwalt in dem Fall. Gerade mit Blick darauf, dass die belgische Staatsanwaltschaft die Prozesseröffnung zunächst nicht für notwendig gehalten und eine Einstellung des Verfahrens angeregt hatte, die Prozessakten sogar unter Geheimhaltung stellte. Und dass, obwohl die mutmaßliche Täterschaft der Beschuldigten an dem Todeskommando und ihre Absicht, mitten in Europa einen Anschlag auf kurdische Politiker durchführen zu wollen, laut Jan Fermon aufgrund „erdrückender Indizien“ nicht in Zweifel gezogen werden könnten. Der anfängliche Optimismus wich dann einer eher pessimistischen Prognose Fermons. Zwar räumte der Brüsseler Ankläger ein, dass die von Kartal und Aydar erhobenen Vorwürfe nicht unbegründet seien. Allerdings vertritt er offensichtlich den Standpunkt, dass die Beteiligung einzelner Angeklagter „nicht klar genug“ sei und Akkulak womöglich als „hauptsächlicher Drahtzieher der ganzen Sache“ betitelt werden sollte.

Fermon: Standpunkt von Staatsanwalt „absolut nicht nachvollziehbar“

Bei Jan Fermon sorgte die Aussage des Staatsanwalts für Empörung. „Alle Beweismittel in der Prozessakte widerlegen diese These. Yakup Koç kontaktierte Akkullak über Demiroğulları. Aus den Telefonaufzeichnungen geht eindeutig hervor, dass es Çelikbilek und Koç gewesen sind, die dieses ‚Projekt‘ vorbereitet haben. Daher ist die Auffassung der Staatsanwaltschaft auf der juristischen Ebene absolut nicht nachvollziehbar“, so Fermon. Der Verteidiger legte vor Gericht dar, wie der türkische Staat Europa als Operationsfeld nutzt, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. In den Prozessakten finden sich Hinweise auf ein breites Agentennetz für Attentate und Spionage in europäischen Ländern. Unter anderem geht es um die Rolle des ehemaligen türkischen Botschafters in Paris, Ismail Hakki Musa, bei dem Mord an den kurdischen Revolutionärinnen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez im Jahr 2013. Viele Hinweise in den Akten deuten darauf hin, dass auch das Brüsseler Killerkommando von dem ehemaligen Botschafter koordiniert wurde. Zudem hatten die Angeklagten direkte Verbindungen nach Ankara, die bis in den Präsidentenpalast reichten. Erkenntnisse aus der technischen Observierung sowie Fotos und Aussagen bestätigen, dass ein Todeskommando auf Befehl aus Ankara seit den Pariser Morden von 2013 bis zum geplanten Anschlag in Brüssel in Europa agiert hat. Außerdem gibt es Hinweise zu den Verbindungen der Angeklagten zu Erdogans Chefberater Seyit Sertçelik sowie zum pensionierten Brigadegeneral und Gründer des türkischen Söldnerkonzerns SADAT, Adnan Tanrıverdi, der 2016 in den Beraterstab von Erdogan berufen wurde und an Treffen des Nationalen Sicherheitsrats (MGK) teilnimmt.

Aydar: Strafe für Angeklagte hätte Signalwirkung

Der Politiker Zübeyir Aydar, der in den neunziger Jahren als Abgeordneter der pro-kurdischen Partei DEP im türkischen Parlament saß und heute zu den Mitgliedern des Exekutivrats der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) zählt, wies darauf hin, dass sich die Attentatspläne des türkischen Killerkommandos nicht lediglich auf seine Person und die von Remzi Kartal beschränkt hätten. „Dieses Todeskommando hatte zum Ziel, alle Stimmen der Exil-Opposition aus der Türkei in Europa zum Verstummen zu bringen. Eine entsprechende Entscheidung des Gerichts hätte Signalwirkung und könnte künftige politische Attentate verhindern“, so Aydar.

Der Ko-Vorsitzende von Kongra-Gel, Remzi Kartal, wies auf ein aufgezeichnetes Gespräch zwischen Akkulak und Çelikbilek hin und zitierte eine Aussage des Ex-Soldaten: „Wir haben es in Paris getan und nichts ist passiert“ – mit diesen Worten habe der Mann versucht, seinen kurdischen Informanten zu Anschlägen auf kurdische Politikerinnen und Politiker zu ermutigen. „Wir alle wissen, was in Paris geschah: Ein Attentäter des türkischen Geheimdienstes ermordete drei unserer Weggefährtinnen“, sagte Kartal.

Für die Urteilsverkündung setzte die Kammer den 22. April fest.