Temelli: İmamoğlu gegen AKP/MHP-Faschismus unterstützen
Der HDP-Vorsitzende Sezai Temelli ruft zur Unterstützung des CHP-Kandidaten Ekrem İmamoğlu bei der Bürgermeisterwahl in Istanbul auf und kündigt eine große Wahlbeteiligung für den 23. Juni an.
Der HDP-Vorsitzende Sezai Temelli ruft zur Unterstützung des CHP-Kandidaten Ekrem İmamoğlu bei der Bürgermeisterwahl in Istanbul auf und kündigt eine große Wahlbeteiligung für den 23. Juni an.
Nach der breiten Wahlniederlage der AKP bei den Kommunalwahlen am 31. Mai hat die Regierungspartei Neuwahlen in der symbolisch wichtigen Metropole Istanbul durchgesetzt. Der Wahlkampf fokussiert sich auf den AKP-Kandidaten Binali Yıldırım und den CHP-Kandidaten Ekrem İmamoğlu. Der HDP-Vorsitzende Sezai Temelli ruft zur Unterstützung des CHP-Kandidaten in Istanbul auf und kündigt eine große Wahlbeteiligung für den 23. Juni an. ANF sprach mit dem Ko-Vorsitzenden der Demokratischen Partei der Völker (HDP) über die Haltung seiner Partei bei den Wahlen.
Warum sind diese Wahlen für die HDP von Bedeutung?
Die Türkei befindet sich im Moment in einer tiefen Demokratiekrise. Eine Grundursache der Demokratiekrise ist, dass nicht mehr regiert werden kann. Die aktuelle Regierung kann weder im ökonomischen, noch im politischen oder gesellschaftlichen Bereich regieren. Und dieser Zustand stürzt das Land jeden Tag tiefer in die Krise. In diesem Sinne sind die Auswirkungen der Wahl in Istanbul schon lange nicht mehr auf Istanbul beschränkt. Deswegen wollen wir nun eine Wahl, die einen Reflex, eine Reaktion, einen Widerspruch gegen die Führungskrise darstellt. Das gilt für die gesamte Türkei. Wir nennen dies ein Demokratie-Referendum. Entweder die Türkei begibt sich auf den Weg der Demokratie oder sie wird dazu verurteilt sein, von dieser Regierung noch tiefer in die Krise mitgerissen zu werden. Die Republikanische Allianz der Regierung arbeitet demgegenüber an der Institutionalisierung des Faschismus. Wenn wir all dies betrachten, sehen wir einen Widerspruch gegen langandauerndes Unrecht. Es ist eine wichtige Gelegenheit, um der Demokratie den Vorzug zu geben. Ich nenne dies den Dominoeffekt des Unrechts. Der eigentliche Grund, warum die Türkei kein Rechtsstaat ist, ist das Verständnis von Führung und Herrschaft. Ein Blick auf insbesondere die vergangenen vier Jahre zeigt, dass sich das System mit der Einrichtung der Totalisolation [von Abdullah Öcalan] immer schneller in Richtung Faschismus bewegt.
Was sind die Folgen der Isolation, von der Sie gesprochen haben?
Die Isolation besteht seit zwanzig Jahren. Aber sie wurde in den vergangenen vier Jahren drastisch verschärft. Mit der Annullierung der Dolmabahçe-Protokolle ist es zu einem historischen Bruch gekommen. Seitdem steigert sich das Unrecht im Land Tag für Tag. Es breitet sich in jeden Bereich aus und dringt in jedes Haus ein.
Zu diesem Bild gehören vor allem auch die Zwangsverwalter. Mit dem Selbstverständnis von Zwangsverwaltung wurde die Krise zum äußersten getrieben. Es handelt sich um ein Verständnis, das die lokal gewählten Vertreterinnen und Vertreter sowie ihre Wählerschaft missachtet.
Abdullah Öcalan hat sich mit seinen Anwälten getroffen, das ist bekannt. Danach hat der AKP-Kandidat Binali Yıldırım Amed besucht. Während er die Assimilation des Kurdischen beklagt, gehen die türkischen Angriffe auf Südkurdistan und Rojava weiter. Wie bewerten Sie die Haltung der AKP vor diesem Hintergrund?
Diese Besuche bei Öcalan haben den Völkern in der Türkei, der Gesellschaft neue Hoffnung gegeben. Die Türkei hat ein starkes Demokratiedefizit. Dieses Problem kann nur gelöst werden, indem die kurdische Frage gelöst wird. Sie steht hinter allen anderen Problemen. Ohne eine Lösung der kurdischen Frage können weder die ökonomischen noch die politischen Probleme gelöst werden. Die kurdische Frage ist keine Angelegenheit, die nur die Kurden betrifft, sondern eine Frage des Mittleren Ostens, ja der ganzen Welt. Wenn dieses Problem gelöst wird, ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Demokratisierung in der Türkei und zum Frieden im Mittleren Osten bewältigt worden. Aber wie kann diese Frage gelöst werden? Es wurde bereits alles ausprobiert. Der logischste Ansatz kommt von Abdullah Öcalan. Öcalan ist der Repräsentant eines Volkes. Als solcher wird er auch akzeptiert. Außerdem ist er der entscheidende Ansprechpartner. Wenn man den Ansprechpartner für die Lösung eines Problems missachtet und isoliert, kann das Problem nie gelöst werden.
Aus diesen vier Jahren müssen wir wichtige Lehren ziehen. Das sagt auch Öcalan. Er sagt auch, dass er immer noch an seinen Ansichten aus dem Jahr 2013 festhält. Der Lösungsprozess ist nicht gut geführt worden. Er wurde nicht vergesellschaftet. Er wurde nicht von der demokratischen Politik erfasst. Deshalb blieb auch die Regierung in ihrer Mentalität gefangen. Der Umgang des Staates mit der kurdischen Frage blieb immer auf Profitinteressen reduziert. Den Thesen Öcalans sollte von der gesamten Gesellschaft Bedeutung beigemessen werden. Die Politik der Provisorien kann sich nicht reproduzieren. Auf Kurdisch zu grüßen und sich als Freund der Kurden dazustellen, ist einfach unaufrichtig. Es handelt sich um eine Erniedrigung des kurdischen Volkes. Das kurdische Volk war immer das entscheidendste Subjekt im Kampf um Frieden in der Türkei. Es ist politisch bewusst. Ich rufe die gesamte Gesellschaft auf, kommt, seit mutig. Sprecht, bringt eure Kritik vor. Tut etwas für eine Lösung!
Wir werden İmamoğlu gegen den AKP-MHP-Faschismus unterstützen
Die HDP hat bei den Wahlen am 31. März in Istanbul keine eigenen Kandidaten aufgestellt und tut es auch jetzt nicht. Unterstützen Sie Ekrem İmamoğlu am 23. März nur wegen seiner Gegnerschaft zur AKP oder kommt ein Zusammenschluss in Frage?
Wir halten weiterhin an unserer Wahlstrategie vom 31. März fest, denn das ist unser Vorgehen. Wir haben diese Strategie nicht mit dem Fokus auf Wahlen verfolgt, wir tun das für den Entwicklungsprozess. Die Wahlen vom 23. Juni sind erzwungene Wahlen. Eigentlich hätten die Wahlen in Muş, Tatvan und Malazgirt annulliert und wiederholt werden müssen. Es gibt bei uns keinen Strategiewechsel. Für uns ist nicht das, was andere tun, ausschlaggebend. Es geht darum, dass die Menschen in diesem Land nicht im Faschismus leben müssen. Wir werden die Isolation zerschlagen und den Faschismus zerschmettern. In diesem Sinne setzen wir unseren Kampf fort. Wahlen sind Meilensteine, aber unsere Haltung richtet sich grundsätzlich gegen den Faschismus. Wir werden İmamoğlu gegen den AKP/MHP-Faschismus unterstützen. Wer welcher Kandidat ist, ist für uns nicht wichtig. Es geht uns darum, den Faschismus zurückzudrängen. Der Faschismus bezieht seine Energie aus der Kurdenfeindschaft. Er kann gestoppt werden, indem man die Kurdenfeindschaft beendet. So gehen wir an die Wahlen heran.
Konnten Sie unentschlossene Wähler überzeugen?
Unser Provinzverband arbeitet sehr gut. Am 31. März ist die große Mehrheit der HDP-Anhänger zur Wahl gegangen. Diese Zahl wird am 23. Juni weiter steigen. Auch die unentschlossenen Wählerinnen und Wähler werden diesmal ihr Stimmrecht nutzen.