Istanbuler Bürgermeisterkandidaten buhlen um kurdische Stimmen

Am 23. Juni wird die Kommunalwahl in Istanbul wiederholt. Die Kurden gelten weiterhin als „Königsmacher“, entsprechend buhlen die beiden Kandidaten auf das Bürgermeisteramt um ihre Stimmen.

Am 31. März ist der CHP-Kandidat Ekrem Imamoğlu mit knappem Vorsprung vor seinem AKP-Konkurrenten Binali Yildirim zum Oberbürgermeister von Istanbul gewählt worden. Ausschlaggebend für das Wahlergebnis war die Strategie der Demokratischen Partei der Völker (HDP), die keinen eigenen Kandidaten aufstellte und ihre Wählerinnen und Wähler zur Abwahl des „AKP/MHP-Faschismus“ aufrief.

Am 23. Juni wird die Wahl in Istanbul wiederholt, weil das Erdoğan-Regime den Hohen Wahlausschuss zur Annullierung der Wahlergebnisse bewegen konnte. Für die Machthabenden in der Türkei steht viel auf dem Spiel. Eine erneute Niederlage wäre für die ohnehin angeschlagene AKP/MHP-Regierung schwer zu verkraften. Entsprechend buhlen die beiden Kandidaten Imamoğlu und Yildirim um die Stimmen der Kurden.

Binali Yildirim hat aus diesem Anlass mehrere kurdische Städte besucht. In Amed (Diyarbakir) verwendete der ehemalige Ministerpräsident und heutige Bürgermeisterkandidat der „Republikanischen Koalition“ sogar den Begriff „Kurdistan“ und wurde dafür von nationalistischen Kreisen angegriffen. Anschließend ruderte er zurück: Er habe das Wort lediglich im historischen Zusammenhang mit der Zeit vor der Republikgründung ausgesprochen. Weiter erklärte er: „Alle Menschen, die irgendwo in diesem Land leben, sind Staatsbürger erster Klasse für uns.“ Niemand dürfe die Kurden diskriminieren: „Wir trennen uns niemals voneinander, wir haben Tausende Jahre gemeinsam in diesem Land gelebt und sind eine Schicksalsgemeinschaft. Wir werden auch weiterhin Brüder sein. Unter unserer Fahne mit Halbmond und Stern werden wir frei und unabhängig leben.“

Auf diese Erklärung Yildirims reagierte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der HDP, Fatma Kurtalan. Sie erinnerte den AKP-Politiker daran, dass er in seiner Zeit als Parlamentspräsident die Begriffe „Kurdistan“ und „kurdische Geografie“ als „grob und verletzend“ für unzulässig erklärt hatte: „Als unser Fraktionskollege Osman Baydemir in einer Parlamentssitzung das Wort Kurdistan ausgesprochen hat, ist er für zwei Tage des Parlamentes verwiesen worden, seine Vergütung ist um die Hälfte gekürzt worden. Die Kurden sind nicht mehr die Kurden von früher, das liegt lange zurück. Es mag eine Zeit gegeben haben, in der es von Bedeutung war, wenn jemand nach Diyarbakir gegangen ist und dort über Kurdistan gesprochen hat. Diese Zeit ist jedoch vorbei.“ Die Kurden wüssten selbst über Kurdistan und ihre Geschichte Bescheid, daher solle Yildirim sein Wissen lieber im Präsidentenpalast oder im Parlament zum Besten geben, fügte die HDP-Politikerin hinzu und erklärte erneut, dass ihre Partei das Demokratiebündnis um den CHP-Kandidaten Imamoğlu unterstütze.

Ekrem Imamoğlu besuchte unterdessen im Istanbuler Bezirk Başakşehir einen Solidaritäts- und Kulturverein von Menschen aus Wan und erklärte, dass es bei der Wahlwiederholung um den Sieg von „Geschwisterlichkeit, Frieden und Freiheit“ gehe.