Der ehemalige HDP-Vorsitzende Selahattin Demirtaş ist am 2. September in seinem Hauptverfahren vor einem Schwurgericht in Ankara freigesprochen worden. Da bereits eine rechtskräftige Freiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten gegen den kurdischen Politiker vorliegt, wurde er nicht aus der Haft entlassen.
Die Staatsanwaltschaft in Ankara war gegen den Freispruch umgehend in Berufung gegangen und hatte erneut einen Haftbefehl beantragt. Dieser Antrag wurde gestern zurückgewiesen.
Die Anwälte von Selahattin Demirtaş haben daraufhin einen Anrechnungsantrag beim 26. Schwurgericht in Istanbul gestellt, das den kurdischen Politiker zuvor zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt hatte. Sollte das Istanbuler Gericht diesem Antrag stattgeben, wird Demirtaş aus der Vollzugsanstalt in Edirne entlassen.
Verhandlung vor dem Menschenrechtsgerichtshof am 18. September
Am 18. September findet vor der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg das Verfahren von Selahattin Demirtaş statt. Der EGMR hatte im März den Antrag des ehemaligen HDP-Vorsitzenden angenommen, mit dem der seit knapp drei Jahren inhaftierte Politiker gegen die fortgesetzte Haft vorgehen möchte. Gleichzeitig wurde der Widerspruch der Türkei gegen das EGMR-Urteil zur Unrechtmäßigkeit der Haft von vergangenem November angenommen.
Der Politiker und Menschenrechtsanwalt Selahattin Demirtaş wurde am 4. November 2016 zeitgleich mit zahlreichen weiteren Abgeordneten seiner Partei festgenommen und anschließend inhaftiert. Seitdem sitzt er im Hochsicherheitsgefängnis von Edirne. Im November 2018 verurteilte der EGMR die Türkei aufgrund der unrechtmäßigen Untersuchungshaft. Die Straßburger Richter ordneten an, dass die Dauer der Untersuchungshaft nicht gerechtfertigt sei und der Politiker freigelassen werden müsse. Der türkische Staat solle alles tun, um möglichst bald die Freilassung des Politikers zu ermöglichen.
Demirtaş hatte vor dem EGMR geklagt, weil er seine Rechte auf eine angemessene Zügigkeit des Verfahrens gegen ihn, sein Recht auf Meinungsfreiheit und sein Recht auf Unversehrtheit des Lebens verletzt sah. Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte jedoch mitgeteilt, die Türkei sei durch das Urteil nicht gebunden. Die türkische Justiz reagierte prompt und bestätigte eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten, zu der Demirtaş am 7. September 2018 wegen „Terrorpropaganda“ verurteilt worden war. Mit der Bestätigung des Urteils ist er in der Türkei erstmals rechtskräftig verurteilt.