Berufung gegen Demirtaş-Freispruch abgelehnt
Die Berufung der Generalstaatsanwaltschaft von Ankara gegen den Freispruch für den ehemaligen HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş wurde abgelehnt. Mit seiner Freilassung ist dennoch nicht zu rechnen.
Die Berufung der Generalstaatsanwaltschaft von Ankara gegen den Freispruch für den ehemaligen HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş wurde abgelehnt. Mit seiner Freilassung ist dennoch nicht zu rechnen.
Ein Berufungsgericht in der türkischen Hauptstadt Ankara hat die Berufung der Generalstaatsanwaltschaft gegen den Freispruch für den kurdischen Politiker Selahattin Demirtaş abgelehnt. Die Argumente der Behörde rechtfertigten nicht eine Fortsetzung der Untersuchungshaft, entschied der 20. Schwurgerichtshof in Ankara am Dienstag.
Demirtaş, ehemaliger Ko-Vorsitzender der Demokratischen Partei der Völker (HDP), war vergangene Woche Montag im Hauptverfahren gegen ihn freigesprochen worden. In dem Prozess vor dem 19. Schwurgerichtshof Ankara drohten dem 46 Jahre alten Politiker wegen Terrorvorwürfen 142 Jahre Freiheitsstrafe. Er war unter anderem angeklagt, eine Organisation gegründet und geleitet zu haben. Die Anklage baute auf 31 Ermittlungsberichten auf, die dem türkischen Parlament während seiner Zeit als Abgeordneter zur Aufhebung der Immunität vorgelegt worden waren. Mit einer Freilassung ist dennoch nicht zu rechnen: Demirtaş wurde in einem anderen Verfahren bereits zu vier Jahren und acht Monaten Haftstrafe verurteilt.
Die Generalstaatsanwaltschaft stützte ihre Berufung auf zwei Gründe: Der seit Herbst 2016 inhaftierte Politiker sei wegen Straftaten gegen Verfassungsorgane angeklagt worden. Aufgrund des hinreichenden Tatverdachts könne die Untersuchungshaft daher fortgesetzt werden. In Anbetracht der Höhe des zu erwartenden Strafmaßes für „Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation“ sei die Fortsetzung der Untersuchungshaft ohnehin angemessen, argumentierte die Behörde außerdem. Dem hat das Gericht nun widersprochen.
Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs in diesem Jahr
Am 18. September findet vor der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg das Verfahren von Selahattin Demirtaş statt. Der EGMR hatte im März den Antrag des ehemaligen HDP-Vorsitzenden angenommen, mit dem der seit knapp drei Jahren inhaftierte Politiker gegen die fortgesetzte Haft vorgehen möchte. Gleichzeitig wurde der Widerspruch der Türkei gegen das EGMR-Urteil zur Unrechtmäßigkeit der Haft von vergangenem November angenommen.
Der Politiker und Menschenrechtsanwalt Selahattin Demirtaş wurde am 4. November 2016 zeitgleich mit zahlreichen weiteren Abgeordneten seiner Partei festgenommen und anschließend inhaftiert. Seitdem sitzt er im Hochsicherheitsgefängnis von Edirne. Im November 2018 verurteilte der EGMR die Türkei aufgrund der unrechtmäßigen Untersuchungshaft. Die Straßburger Richter ordneten an, dass die Dauer der Untersuchungshaft nicht gerechtfertigt sei und der Politiker freigelassen werden müsse. Der türkische Staat solle alles tun, um möglichst bald die Freilassung des Politikers zu ermöglichen.
Demirtaş hatte vor dem EGMR geklagt, weil er seine Rechte auf eine angemessene Zügigkeit des Verfahrens gegen ihn, sein Recht auf Meinungsfreiheit und sein Recht auf Unversehrtheit des Lebens verletzt sah. Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte jedoch mitgeteilt, die Türkei sei durch das Urteil nicht gebunden. Die türkische Justiz reagierte prompt und bestätigte eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten, zu der Demirtaş am 7. September wegen „Terrorpropaganda“ verurteilt worden war. Mit der Bestätigung des Urteils ist er in der Türkei erstmals rechtskräftig verurteilt.