Das Verteidigerteam des ehemaligen HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş hat beim zuständigen Gericht in Ankara die Entlassung aus der Untersuchungshaft beantragt.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat heute entschieden, dass die Türkei Demirtaş so schnell wie möglich aus der Untersuchungshaft entlassen muss, da mehrfach gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen worden ist.
Der kurdische Politiker war im November 2016 festgenommen worden und befindet sich seitdem im Hochsicherheitsgefängnis Edirne in der Westtürkei. Der EGMR urteilte nun, dass es einen unrechtmäßigen Eingriff in die Meinungsfreiheit darstelle, dass Demirtaş nicht seiner Arbeit als Abgeordneter in der türkischen Nationalversammlung nachkommen konnte. Seine Inhaftierung insbesondere während der Präsidentschaftswahl im vergangenen Juni und des umstrittenen Referendums für den Übergang von einem parlamentarischen in ein Präsidialsystem im April habe das eigentliche Ziel gehabt, den Pluralismus zu ersticken und die Freiheit der politischen Debatte einzugrenzen, befand das Gericht.
In der Urteilsbegründung wird außerdem bemerkt, dass es nicht nur um die individuellen Rechte des HDP-Politikers gehe, sondern das demokratische System in der Türkei insgesamt gefährdet sei.
Die Türkei wurde vom EGMR zu einer ideellen Entschädigungszahlung von 10.000 Euro sowie der Zahlung von 15.000 Euro für die Prozesskosten und andere Ausgaben verurteilt.
Erdoğan: Urteil ist nicht bindend
Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan hat unterdessen erklärt, dass Urteile des EGMR für die Türkei keine bindende Wirkung haben: „Es gibt viel, was dagegen unternommen werden kann. Wir machen eine Gegenoffensive und erledigen die Sache. Der Terror geht weiter.“
Dieser Auffassung hat Europaratssprecher Daniel Holtgen umgehend auf Twitter widersprochen. „Nach Artikel 46 des Menschenrechtsabkommens sind alle EGMR-Urteile für die Mitgliedsstaaten bindend“, heißt es in einer Kurznachricht.