Solidarität mit Boğaziçi-Studierenden in Berlin
In Berlin hat eine Solidaritätskundgebung für die Studierenden der Istanbuler Boğaziçi-Universität stattgefunden. Unter den Teilnehmenden waren auch prominente Persönlichkeiten aus Kultur und Politik.
In Berlin hat eine Solidaritätskundgebung für die Studierenden der Istanbuler Boğaziçi-Universität stattgefunden. Unter den Teilnehmenden waren auch prominente Persönlichkeiten aus Kultur und Politik.
In der Hauptstadt Berlin gab es am Samstag eine Solidaritätskundgebung für die Studierenden der Istanbuler Boğaziçi-Universität. Aufgerufen hatte eine lokale Initiative, die sich unter anderem aus Absolvent*innen der nach dem Bosporus benannten Hochschule zusammensetzt.
Die Menge versammelte sich an der Weltzeituhr am Alexanderplatz, unter den Teilnehmenden waren auch prominente Persönlichkeiten aus Kultur und Politik, darunter Gökay Akbulut und Hakan Taş von der Partei DIE LINKE, die frühere HDP-Abgeordnete Sibel Yiğitalp, der Exiljournalist Can Dündar, die Sängerin und Aktivistin Ozan Şahturna, der Rapper Ezhel, die Band PARKA sowie zahlreiche Aktivistinnen vom kurdischen Frauenrat Dest-Dan und Mitglieder des Rates der freien Menschen aus Kurdistan.
Seit Jahresbeginn protestieren Studierende und Lehrkräfte der Boğaziçi-Universität gegen die politisch motivierte Ernennung von Melih Bulu zum Leiter der Hochschule. Die Proteste wenden sich zum einen gegen die autoritäre Form der Einsetzung des Erdoğan-Günstlings durch ein Präsidialdekret und damit gegen die Beschneidung der universitären Autonomie. Zum anderen wird Bulu für wissenschaftlich ungeeignet gehalten. Der langjährige Parteigänger der AKP wurde bereits 2011 mit Plagiatsvorwürfen seiner Promotionsarbeit konfrontiert. Die Studierenden und Lehrenden der Boğaziçi-Universität warnen davor, dass Bulu der weltweit angesehenen Wissenschaftseinrichtung schaden wird.
Yiğitalp: Zwangsverwaltung als Herrschaftstechnik
Sibel Yiğitalp wies auf das Prinzip der Zwangsverwaltung als Herrschaftstechnik hin und hob hervor, dass dieses System das erste Mal im Jahr 2016 im Rathaus der kurdischen Stadt Amed (tr. Diyarbakir) erprobt wurde. „Wir haben damals davor gewarnt, dass der türkische Staat es nicht dabei belassen wird, das Treuhänderregime lediglich gegen die kommunale kurdische Politik als Waffe einzusetzen. Deshalb setzen wir uns dafür ein, unsere Kämpfe zu verbinden. Nur durch einen gemeinsamen Widerstand können wir das Regime bezwingen.“
Erdoğan fürchtet sich vor Gezi 2.0
Obwohl die autoritäre Entscheidung Erdoğans, Melih Bulu zum Leiter der Boğaziçi-Universität einzusetzen, vom Lehrkörper und der Studierendenschaft breit abgelehnt wird, führte dies bislang nicht zu einem Einlenken, im Gegenteil. Der türkische Präsident ist gewillt, die Proteste durch massive Repression niederzuschlagen und nutzt jede Gelegenheit, um die Studierenden als Terroristen zu diffamieren. Am Freitag erklärte er zu der Forderung nach einem Rücktritt des von ihm berufenen Rektors: „Wenn ihr Mut ausreicht, werden sie auch noch den Rücktritt des Staatspräsidenten fordern.“ Auf Twitter brach daraufhin ein Shitstorm mit Rücktrittsforderungen los.
Offener Brief der Boğaziçi-Solidarität an den Präsidenten
Daraufhin veröffentlichte die Initiative Boğaziçi-Solidarität einen „offenen Brief an den 12. Staatspräsidenten“. Darin heißt es unter anderem: „Verwechseln Sie uns nicht mit bedingungslos Gehorsamen. Weder sind Sie unser Sultan noch sind wir Ihre Untertanen. Sie haben von Mut gesprochen. Wir genießen keine Immunität. Sie hingegen plustern sich seit 19 Jahren hinter dem Panzer der Immunität auf. Sie nennen unsere LGBTI+Freund*innen pervers. Wir sagen, dass LGBTI-Rechte Menschenrechte sind. (…) Sie halten die HDP-Vorsitzenden, Journalist*innen, Gewerkschafter unrechtmäßig im Gefängnis fest. Wir sagen, dass wir zusammen mit allen stehen, die ohne Angst die Wahrheit herausschreien. Wir sind gegen alle Zwangsverwalter.“