Weitere Studierende in der Türkei verhaftet

In der Türkei sind zwei weitere Studierende im Zusammenhang mit den Protesten gegen die Einsetzung eines vom Präsidenten ernannten Universitäts-Leiters verhaftet worden. Einer der beiden Betroffenen wird Widerstand gegen die Staatsgewalt vorgeworfen.

In der Türkei sind in der Nacht zu Freitag zwei weitere Studierende im Zusammenhang mit den Protesten gegen die Ernennung eines neuen Rektors für die Istanbuler Boğaziçi-Universität verhaftet worden. Şilan Delipalta von der Studierendenbewegung Öğrenci Kolektifleri wird Widerstand gegen die Staatsgewalt vorgeworfen, der Vorwurf gegen den TIP-Aktivisten Anıl Akyüz lautet Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Bei einer Verurteilung drohen beiden bis zu drei Jahre Haft.

Delipalta und Akyüz waren am Dienstag bei einer Solidaritätskundgebung für 159 tags zuvor festgenommene Studierende im asiatischen Stadtteil Kadıköy in Gewahrsam genommen worden. Die Polizei ging brutal gegen die Menschenmenge vor und setzte neben Tränengas auch Plastikgeschosse ein. Zahlreiche Menschen wurden verletzt, unter ihnen auch mehrere Presseleute. Insgesamt war es an dem Tag zu 228 Festnahmen gekommen, bis zum Donnerstag wurden nur 205 Personen wieder entlassen. Die restlichen Studierenden und Aktivist*innen wurden bis spät in die Nacht von einem Richter am Justizpalast Anadolu im Bezirk Kartal vernommen.

Laut der Initiative „Jurist*innen für Gerechtigkeit“ wurden bei den Befragungen stets dieselben „voreingenommene Fragen“ gestellt. Der Richter habe in allen Fällen wissen wollen, in welcher Beziehung die Festgenommenen zur Boğaziçi-Universität stehen, ob sie zuvor an „ähnlichen Aktionen“ teilgenommen haben, wer sie zu den Protesten „mitgerissen“ hat, ob auch gegen frühere Rektorenwahlen demonstriert wurde und ob man sich „dazu berufen fühle“, an den Protesten teilzunehmen. Gegen vierzehn Studierende ordnete der Richter Hausarrest und ein Ausreiseverbot an, sieben weitere dürfen ebenfalls nicht ausreisen und müssen sich zusätzlich regelmäßig bei den Behörden melden.

Übergriff auf Rechtsanwälte

Im Anschluss an die Vernehmungen kam es im Justizpalast zu Protesten gegen die Entscheidung des Gerichts. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte klatschten in die Hände und buhten den Richter lautstark aus. Daraufhin kam es zu Übergriffen durch die anwesende Bereitschaftspolizei. Ob Beteiligte dabei zu Schaden gekommen sind, war zunächst noch unklar.

Proteste gegen Angriff auf universitäre Autonomie

Studierende und Lehrende der Boğaziçi-Universität protestieren seit Anfang Januar gegen den von Staatspräsident Tayyip Erdogan zum Rektor ernannten AKP-Politiker Melih Bulu und berufen sich auf die universitäre Autonomie und die Freiheit der Wissenschaft. Die staatliche Reaktion auf die Proteste ist von extremer Homophobie geprägt, da sich auch LGBTI-Personen daran beteiligen.

In früheren Jahren waren die türkischen Rektorinnen und Rektoren hochschulintern gewählt worden, doch nach dem Putsch-Versuch von 2016 sicherte sich Erdogan auch den Zugriff auf die Universitäten. Seit Inkrafttreten des Präsidialsystems im Juli 2018 ist der Präsident allein berechtigt, Leiter*innen an staatlichen Hochschulen einzusetzen.