ANKER-Zentren arbeiten noch langsamer als BAMF

Angeblich zur Beschleunigung von Asylverfahren hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer die sogenannten ANKER-Zentren einführen lassen. In den schikanösen Lagern dauern Asylverfahren aber länger als beim Bundesamt.

Die sogenannten Ankunfts- und Rückführungszentren – de facto Lager, in denen Schutzsuchende mit angeblich geringer Bleibeperspektive unter psychisch und physisch hochproblematischen Bedingungen gezwungen werden zu leben – stellen eines der zentralen Projekte von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) dar. Unter dem Vorwand, schnellere Asylverfahren vollziehen zu wollen, wurden Massenlager eingerichtet, die durch die extrem beengte Wohnsituation vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie ein noch höheres Bedrohungspotential für die Bewohner*innen darstellen.

Verfahren im ANKER-Zentrum dauern durchschnittlich 8,5 Monate

Aus einer parlamentarischen Anfrage der innenpolitischen Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, geht hervor, dass die durchschnittliche Asylverfahrensdauer im Jahr 2020 (Januar bis November) im Allgemeinen bei 8,3 Monaten lag, in den sogenannten ANKER-Zentren und vergleichbaren Einrichtungen jedoch sogar im gleichen Zeitraum bei 8,5 Monaten. Das bedeutet, dass manche Verfahren sogar noch wesentlich länger dauern können und die Schutzsuchenden in den Lagern teilweise jahrelang weitgehend entrechtet leben müssen.

Wahre Funktion der Ankerzentren ist Isolation und Abschreckung

Ulla Jelpke kommentiert die Zahlen mit den Worten: „Das ist für Seehofer eine desaströse Bilanz: Angeblich sollten Asylverfahren in sogenannten Anker-Zentren erheblich schneller sein. Doch das Gegenteil ist richtig, wie sich jetzt zeigt. Verwunderlich ist das nicht, denn die wahre Funktion dieser Lager ist eine andere, nämlich Abschreckung: Asylsuchende werden auf engstem Raum zusammengepfercht, sie sollen von unabhängigen Beratungsstrukturen und der unterstützenden Zivilgesellschaft abgeschnitten werden. Dieser Lager-Modell ist nicht nur angesichts der Notwendigkeit einer möglichst dezentralen Unterbringung in Zeiten der Pandemie völlig daneben.“

Es muss um Qualität, nicht um Geschwindigkeit gehen

Die Abgeordnete moniert, dass der Blick auf schnelle Erledigung von Verfahren „verfehlt sei“, und fügt an: „Es muss um qualitativ gute Verfahren und faire Entscheidungen in angemessener Zeit gehen. Wichtig wären etwa eine Ruhephase vor der Anhörung und eine unabhängige Asylverfahrensberatung, was es vielerorts jedoch gerade nicht gibt. Und statt hunderttausendfach positive Entscheidungen nochmals akribisch zu überprüfen, sollte sich das BAMF vor allem Ablehnungsbescheide noch einmal genauer ansehen – gerade bei Herkunftsländern, bei denen die Gerichte die BAMF-Bescheide reihenweise aufheben, etwa bei afghanischen Flüchtlingen.“

Widerrufsverfahren machen zwei Drittel der Entscheidungen aus

Und wirklich, aus einer anderen Anfrage (BT-Drs. 19/23630, Frage 5) geht hervor, dass die derzeit hunderttausendfach im BAMF stattfindende sogenannte Widerrufsverfahren etwa zwei Drittel der im BAMF gefällten Entscheidungen ausmachen und zu 97 Prozent positiv ausgehen, das heißt zur Bestätigung des Aufenthaltstitels führen. Diese Widerrufsverfahren dauern der Antwort der Bundesregierung zufolge im letzten Jahreszeitraum (ohne Dezember) durchschnittlich 11,6 Monate.

Seehofer ist vernarrt in rechtspopulistische Symbolpolitik“

Jelpke kritisiert: „Eine rationale Asylpolitik ist von Seehofer leider nicht zu erwarten. Er ist vernarrt in seine rechtspopulistische Symbolpolitik, die an den realen Erfordernissen vorbeigeht, wie die verheerende Bilanz seiner Anker-Zentren zeigt: Sie sind ineffektiv und menschenrechtlich inakzeptabel.“