Sibel Yiğitalp: „Mehr als Feindrecht“

Die kurdische Politikerin Sibel Yiğitalp kritisiert die türkische Justiz für den menschenunwürdigen Umgang mit Gefangenen und wirft ihr vor, „mehr als Feindrecht zu vollstrecken“.

Sibel Yiğitalp war in der 25. und 26. Legislaturperiode Abgeordnete im türkischen Parlament und des parlamentarischen Menschenrechtsausschusses. Aufgrund von Verfolgung durch das AKP/MHP-Regime musste sie aus der Türkei fliehen und lebt im Exil in Europa. Sie beschreibt die Situation in den türkischen Gefängnissen als dramatisch. Während die Zahl der Gefangenen in keinem europäischen Land ähnlich hoch sei wie in der Türkei, plane das Regime allein in diesem Jahr 18 neue Gefängnisse. Bis 2024 seien sogar 40 weitere Haftanstalten geplant.

Yiğitalp gibt an, dass mindestens hundert kurdische Gefangene trotz Ende ihrer Strafdauer weiter in Haft sitzen. Die Gefangenen sollen nur entlassen werden, wenn sie ihrem politischen Weg abschwören. Sie berichtet auch von den sieben teils schwer kranken Gefangenen, die Ende 2021 ums Leben gekommen sind, und sagt: „Wenn wir die Art und Weise ihres Todes betrachten, aber auch wie sie nach ihrem Tod aus dem Gefängnis gebracht und beigesetzt wurden, dann können wir die Haltung des Regimes und seine Politik genau erkennen. Wir können nicht behaupten, dass diese Tode normal sind.“

Die Politikerin weist darauf hin, dass die kranken Gefangenen einfach sterben gelassen werden und es im Anschluss heißt, sie seien tot aufgefunden worden. Sie führt aus: „Gefangene, die 24-Stunden mit Kameras überwacht werden, die systematischer Gewalt und psychischem Druck ausgesetzt sind, können nicht einfach so tot aufgefunden werden. Sie werden getötet. Alle Rechte schwerkranker Gefangener, einschließlich des Rechts auf Behandlung, des Rechts, ihre letzten Tage draußen zu verbringen, werden ihnen genommen, tatsächlich wird ihr Tod beschleunigt. Anschließend werden die Informationen über ihren Tod nicht in ihre Akte übertragen, da Geheimhaltungsverfügungen verhängt oder andere Ausflüchte gesucht werden.“

Die Gefängnisse sind das Standbein der Kurdenfeindlichkeit

Yiğitalp weist auf die schwer an Demenz erkrankte inhaftierte kurdische Politikerin Aysel Tuğluk hin und sagt, die Gefängnispolitik des AKP/MHP-Regimes sei ein Standbein der Kurdenfeindlichkeit. Sie schließt mit den Worten: „Die derzeitige Regierung betrachtet Gefangene als Geiseln gegen die legale kurdische Politik. Immer wenn Kurd:innen Widerstand leisten, dann werden die Gefangenen angegriffen und getötet. Den Angehörigen werden nicht einmal Leichenwagen zur Verfügung gestellt. Selbst die Bestattung wird behindert. Wir haben es mit einer grausamen, prinzipienlosen Regierung zu tun, die keine Grenzen der Legalität kennt. Wir haben eine moralische Verantwortung, uns an der Seite der Gesellschaft zu organisieren.“