Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Fight 4 Human Rights“ hat es in der Wuppertaler Börse am Donnerstagabend eine Diskussionsveranstaltung mit dem Bürgerrechtsaktivisten, Anwalt und Publizisten Dr. Rolf Gössner gegeben. Der Titel lautete: Anspruch und Wirklichkeit: Deutsch-türkische „Sicherheitskooperation“ und ihre gefährlichen Auswirkungen.
Dr. Gössner, der zum Vorstand des in Köln ansässigen Vereins für Demokratie und internationales Recht MAF-DAD e.V. gehört, berichtete in seinem Vortrag über die unterschiedlichen Dimensionen der Kooperation von Militär, Polizei und Geheimdiensten Deutschlands mit der Türkei und beleuchtete die Hintergründe, warum BRD und EU trotz katastrophaler Menschenrechtslage in dem Land sowie völkerrechtswidriger Angriffe auf Kurdinnen und Kurden die Zusammenarbeit mit Ankara nicht beenden. Gössner akzentuierte, die geostrategische Lage und der sogenannte EU-Flüchtlingsdeal hätten zu einer Akzeptanz der autokratischen Verhältnisse in der Türkei geführt.
Kurd:innen werden ausgegrenzt und stigmatisiert
Weiter zeigte Gössner die fatalen Auswirkungen des gemeinsamen „Antiterrorkampfes“ Deutschlands und der Türkei auf, die hierzulande zu Ausgrenzung, Stigmatisierung und Kriminalisierung von Kurd:innen, ihren Organisationen und Medien führe. Der Jurist betonte, dass für diese unkritische Kooperation ganz bewusst Grundrechte, „die eigentlich allen in Deutschland lebenden Menschen garantiert sein sollten“, verletzt würden. Als Beispiel nannte Gössner unter anderem das „längst hinfällige und völlig anachronistische“ Betätigungsverbot der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), das in den 30 Jahren seines Bestehens vielen Kurd:innen das Lebens zerstört hätte. Obwohl die Gründe, die 1993 für den Erlass des Verbotes aufgeführt wurden, schon lange obsolet seien, halte Deutschland an der Verfügung fest und habe darüber hinaus seine Antiterrorgesetze verschärft und ausgeweitet.
Verbot kurdischer Verlagshäuser
Die antidemokratische Wirkung dieser Kriminalisierung stellte Gössner anhand der Schließung der kurdischen Verlagshäuser Mezopotamien und MIR dar, „die wesentlich zum Verständnis der kurdischen Kultur beigetragen haben“. Mit Verfügung vom 1. Februar 2019 hatte das Bundesinnenministerium die auf die Verlegung und den Vertrieb von kurdischer Literatur und kurdischer Musik spezialisierten Unternehmen als angebliche Teilorganisationen der PKK verboten. Das wohl weltweit größte kurdische Musikarchiv sowie die Verlagsbestände, etwa 50.000 Werke, wurden daraufhin bei einer Großrazzia beschlagnahmt. Der Vorwurf: Der Geschäftsbetrieb diene durch sein Verlagsprogramm der Aufrechterhaltung des organisatorischen Zusammenhalts der PKK. Schon ein Jahr zuvor, im März 2018, gab es Durchsuchungen im gemeinsamen Verlagshaus. Im Januar 2022 hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig das verfügte Verbot des Mezopotamien-Verlags und des Musikvertriebs MIR bestätigt. Rolf Gössner sieht darin einen „Angriff auf die Meinungsfreiheit“.
Türkische Spitzel und deutsche Geheimdienste liefern Daten an Ankara
Absolut fahrlässig sei auch die Weitergabe von Daten türkeistämmiger Oppositioneller und kurdischer Aktivist:innen durch bundesdeutsche Behörden an die türkischen Geheimdienste und die Polizei. Als besonders unrühmliches Beispiel einer solchen fahrlässigen Gefährdung von Asylbewerbern und ihren Angehörigen sei die Einschaltung von Kooperationsanwälten in der Türkei, die für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Asylanträgen genannte Fluchtgründe recherchieren sollen. Durch sie seien dem türkischen Staat massenweise Daten über politische Strukturen in die Hände gefallen, kritisierte Gössner. Und auch das Thema türkischer Geheimdienstaktionen brachte Gössner zur Sprache. Obwohl sich der deutsche Staat gegen diese illegalen Spionagetätigkeiten entschieden verteidigen müsste, käme es, wenn überhaupt angeklagt würde, nur zu sehr milden Strafen. Eine Institution, die mit der Bespitzelung Oppositioneller und Kurd:innen in Verbindung gebracht würde, sei die DITIB.
Entscheidung über Eintrag auf EU-Terrorliste geschieht im Geheimen
Ebenso undemokratisch wie intransparent würde über die Eintragung von Personen und Organisationen auf die EU-Terrorliste entschieden. Die Folgen seien für die Betroffenen jedoch vernichtend, erklärte Gössner. Da die Gründe für diese Entscheidung nicht offen kommuniziert würden, sei es aber auch extrem schwierig, sich dagegen zu wehren. Zum Abschluss des Abends folgte eine Diskussion über mögliche Auswege aus dieser gefährlichen Problemlage.
„Fight 4 Human Rights“
Die Veranstaltungsreihe „Fight 4 Human Rights“ ist eine Kooperation des Falken Bildungswerks, des Soziokulturellen Zentrums die börse e.V., Aufstehen gegen Rassismus Bergisches Land und weiteren Initiativen aus Wuppertal und dem bergischen Land.