Schwere Polizeigewalt gegen Demonstration in Den Haag

Bei der Demonstration in Den Haag gegen das Schweigen der internationalen Organisationen zu den Kriegsverbrechen der Türkei in Kurdistan kam es zu einem brutalen Angriff der Polizei. Kurdische Verbände fordern eine Entschuldigung.

Im Rahmen der Aktionswoche #WeSeeYourCrimes demonstrierten gestern im niederländischen Den Haag, dem Sitz der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW), mehr als tausend Menschen unter dem Motto: „Wir sehen eure Verbrechen – Stoppt den Einsatz chemischer Waffen in Kurdistan!“ gegen den Einsatz von chemischen Waffen durch die türkische Armee gegen die Guerilla in den kurdischen Gebieten im Nordirak und das Schweigen der internationalen Organisationen zu den Kriegsverbrechen der Türkei. Verschiedene kurdische Exilorganisationen und Verbände hatten zu der Demonstration aufgerufen.

Seit dem 23. April 2021 haben türkische Kampfjets Tausende Male Dörfer, Städte und ländliche Gebiete bombardiert, Tausende von Artilleriegranaten sind in dem Gebiet eingeschlagen, umfangreiche Bodenoperationen haben stattgefunden und Wälder wurden absichtlich in Brand gesetzt. Die wichtigste Waffe, auf die sich die türkische Armee bei ihren andauernden Angriffen stützt, sind jedoch chemische Waffen. Laut den Volksverteidigungskräften (HPG) hat die Türkei in den letzten sechs Monaten 2.470 Mal verbotene chemische Kampfstoffe eingesetzt, im Jahr 2021 waren es 367 Mal. Seit April letzten Jahres sind mindestens 89 Guerillakämpfer:innen bei diesen Angriffen mit chemischen Waffen getötet worden.

Euer Schweigen tötet!

Die zentrale Forderung der Demonstration in Den Haag war eine Beendigung des Angriffskrieges sowie die Untersuchung der Chemiewaffeneinsätze durch die zuständigen internationalen Organisationen wie der OPCW und entsprechende Sanktionen gegen die Türkei.

Mit Bildern und Transparenten gedachten die Demonstrant:innen auch der 17 Guerillakämpfer:innen, die vor kurzem bei einem Angriff mit Giftgas durch die türkische Armee getötet wurden.

30 Verletzte und zwölf Festnahmen

Die Demonstration wurde jedoch kurz vor dem Erreichen des Kundgebungsorts von der niederländischen Polizei mit als Waffen missbrauchten Pferden und Hunden brutal angegriffen. Als Begründung wurde angegeben, es habe einen Angriff auf das türkische Konsulat, in dessen Nähe die Demoroute vorbei lief, gegeben. Durch den Angriff wurden insgesamt 30 Aktivist:innen verletzt, zwei von ihnen schwer. Nach derzeitigem Stand wurden zwölf Menschen festgenommen.

Die Polizei ging mit Pferden und Hunden auf uns los.“

Eine Demonstrantin berichtete gegenüber ANF von den Ereignissen: „Eigentlich war unsere Demo richtig gut, lautstark und kraftvoll. Es ist auch die ganze Demonstration über friedlich geblieben. Kurz bevor wir auf die Wiese, auf der die Abschlusskundgebung stattfinden sollte, eingebogen sind, kam es auf einmal zu einem Angriff der Polizei gegen uns. Die sind mit Pferden und Hunden auf uns los. Die Pferde waren riesig. Die haben einen einfach umgetrampelt, wenn man gerade nicht aus dem Weg gehen konnte. Immer wieder stürzten Menschen vor den Pferden, die Polizisten haben die Pferde trotzdem nicht angehalten, sondern sind einfach über die Menschen hinweg. Dabei haben sie von oben herab mit Schlagstöcken auf die Menschen eingeprügelt. Einige bekamen Panik, ich auch, weil wir auch immer weiter zusammengedrängt wurden. Ich habe einen Mann gesehen, der am Kopf stark geblutet hat. Ein anderer war in den Fluss gestürzt und wurde von unseren Freund:innen gerettet. Es kamen mehrere Krankenwagen. Immer wieder drohte die Polizei damit, die Hunde auf uns loszulassen. Dann begannen sie, einzelne Menschen aus der Menge herauszuholen. Das ging so weiter, bis wir schließlich losgefahren sind. Ich habe gesehen, dass selbst aus den Bussen noch kurz vor der Abfahrt Menschen herausgeholt wurden von der Polizei.“

Wir erwarten eine Entschuldigung“

Die Kurdische Frauenbewegung in Europa (TJK-E) und der europaweite Dachverband kurdischer Vereine (KCDK-E) verurteilten in einer gemeinsamen Erklärung die Polizeigewalt gegen die Demonstration und forderten eine Entschuldigung sowohl von der niederländischen Regierung als auch von der Polizei.

In der vergangene Nacht veröffentlichten Erklärung heißt es: „Die Demonstration, die auf großes Interesse der Medien stieß, wurde im letzten Moment von der niederländischen Polizei rücksichtslos, gewaltsam und mit Pferden angegriffen. Bei diesem gewaltsamen Angriff auf einem Level, der Erdogans Polizei in nichts nachsteht, wurden etwa 30 Demonstrant:innen verletzt, zehn davon ernsthaft und zwei von ihnen schwer. Zwölf Demonstrant:innen wurden, ebenfalls zu Unrecht, festgenommen.

Die Demonstration richtete sich gegen die Untätigkeit und das Schweigen der OPCW, die trotz zahlreicher Beweise die berühmten drei Affen spielt und der Ermordung von Freiheitskämpfer:innen durch Chemiewaffen zusieht. Die Demonstrant:innen, die mit ihrem Protest gegen die Haltung der OPCW, der EU und der UNO ihr demokratisches Recht ausübten, wurden von der niederländischen Polizei mit brutaler Gewalt in einer Art und Weise angegriffen, die der türkischen Polizei nicht unähnlich war.

Wir verurteilen den Angriff scharf. Wir verurteilen die niederländische Regierung und die Polizei für ihre gewaltsame Reaktion auf eine Demonstration, die auf einer völlig demokratischen Grundlage organisiert wurde. Wir erwarten, dass sich sowohl die niederländische Regierung als auch die Polizei bei der kurdischen Bevölkerung und den Demonstrant:innen für den Angriff entschuldigt.

Über die Demonstration wurde in fast allen niederländischen Medien berichtet, die Polizeigewalt wurde mit Erstaunen wahrgenommen und kritisiert. Als KCDK-E und TJK-E danken wir allen Menschen, die an der Demonstration teilgenommen haben, um gegen das Schweigen der OPCW und ihrer Mitgliedstaaten zu protestieren. Wir werden weiterhin gegen dieses Unrecht, gegen die Angriffe und das Schweigen zu dem Völkermord am kurdischen Volk kämpfen und wir werden weiterhin entschlossen unser demokratisches Recht auf der Straße nutzen."