Seit mehr als zwei Monaten protestiert Xoşnav Ata aus Niedersachsen bereits vor dem Sitz der Organisation zum Verbot des Einsatzes chemischer Waffen (OPCW) im niederländischen Den Haag. Mit seiner „Gerechtigkeitswache“ prangert der 56-Jährige die Untätigkeit der OPCW gegenüber den Chemiewaffenangriffen der türkischen Armee in Kurdistan an. Die Organisation, der die Türkei als Vertragsstaat der Chemiewaffenkonvention seit 1997 angehört, hat bisher keine Anstalten gemacht, die Vorwürfe über den Einsatz geächteter Kampfstoffe zu untersuchen und den Einsatz verbotener Kriegsmittel zu verhindern – trotz eindeutiger Berichte der Guerillaarmee HPG zum Einsatz chemischer Waffen, Aufrufen kurdischer Institutionen, Rechercheergebnissen einschlägiger Organisationen und Einzelpersonen sowie Massenprotesten der kurdischen Diaspora-Community.
Der kurdische Politiker Remzi Kartal sieht in der Verweigerung der OPCW, hinsichtlich der Vorwürfe gegen Ankara aktiv zu werden, eine bewusste Vernachlässigung der Pflichten der Organisation und eine Unterstützung für den türkischen Staatsterrorismus gegen die Kurdinnen und Kurden. Das sagte Kartal, der auch Ko-Vorsitzender des KONGRA-GEL (Volkskongress Kurdistan) ist, am Freitag bei einem Besuch der Mahnwache von Xoşnav Ata. „Ich finde es bewundernswert, dass dieser Mensch seit 71 Tagen unbeirrt auf das große Unrecht hinweist, das die OPCW ihre Pflichten missachtet. Ich bekunde ihm meine volle Solidarität“, sagte Kartal.
Ata bedankte sich für die Unterstützung seiner Aktion und betonte, dass Menschen kurdischer Herkunft „überall auf der Welt im Widerstand für Recht und Gerechtigkeit“ seien. Scharfe Kritik richtete er an die OPCW und warf der Organisation vor, den Weg zur Wahrheit „willentlich und wissentlich“ zu versperren. Außerdem kündigte der Aktivist an, den Protest so lange fortzusetzen, bis das Ziel erreicht ist.
Xoşnav Ata hatte die Mahnwache in Den Haag Anfang August gestartet. Auslöser war der Tod seiner Nichte Gülperin Ata, die als Guerillakämpferin Binevş Agal einige Wochen zuvor im Widerstand gegen die türkische Invasion am Kuro Jahro in der Zap-Region in Südkurdistan ums Leben gekommen ist. Die Volksverteidigungskräfte (HPG) hatten zu den Todesumständen mitgeteilt, dass die türkische Armee über mehrere Tage chemische Kampfstoffe gegen Guerillastellungen, an denen Binevş Agal im Einsatz war, abgefeuert hatte. Die HPG vermelden bereits seit Monaten täglich dokumentierte Chemiewaffenangriffe durch das Militär des türkischen NATO-Staates. Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW hat diese Woche einen Bericht über türkische Chemiewaffeneinsätze in Kurdistan veröffentlicht und fordert eine sofortige, unabhängige internationale Untersuchung.