Prozessauftakt gegen Yilmaz Acil in München

In München hat unter verschärften Sicherheitsmaßnahmen der PKK-Prozess gegen den kurdischen Aktivisten Yilmaz Acil begonnen. Sein Verteidiger Yunus Ziyal beantragte gleich zu Beginn die Einstellung des Verfahrens.

Heute begann vor dem Oberlandesgericht (OLG) München der Prozess gegen Yilmaz Acil, dem laut Haftbefehl vorgeworfen wird, „der Ideologie der in Deutschland verbotenen PKK“ anzuhängen und seit „August 2016 als sogenannter Frontarbeiter der PKK im Bereich Südbayern“ tätig gewesen zu sein.

Acil wurde am 10. September 2021 nach §§129a/b StGB verhaftet. Es geht um mehr als 40 einzelne Aktivitäten, denen er „bezichtigt“ wird. Unter anderem werden aufgezählt: Spendensammlungen, Organisierung von angemeldeten Demos, Veranstaltungen und Busfahrten, Teilnahme an Veranstaltungen „mit PKK-Bezug“, Kondolenzbesuche, das Besorgen von Blumenschmuck anlässlich einer Trauerfeier, Kontakt mit HDP-Abgeordneten in der Türkei und weitere Einzelvorwürfe, die gemeinhin nicht als justiziabel gelten, hier jedoch als „Terrorismus unterstützend“ einstuft wurden.

Nach sieben Monaten Untersuchungshaft, die Acil in der JVA Augsburg-Gablingen verbrachte, musste er am 13. April 2020 entlassen werden. Der Grund war die Verschleppung der Ermittlungen des Landeskriminalamts. Der Bundesgerichtshof sah einen Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz und verfügte die Entlassung.

Heute dann begann die Hauptverhandlung vor dem OLG München mit verschärften Sicherheitsmaßnahmen; im Vorfeld soll so schon mal die „Gefährlichkeit“ des Angeklagten signalisiert werden.

Zu Beginn fragte der Vorsitzende, ob es stimme, dass er in der Türkei geboren wurde. Seine Antwort war „Ich komme aus Kurdistan“, was die Richtung, in die das Verfahren gehen wird, verdeutlicht. Hier steht ein kurdischer Aktivist vor einem deutschen Gericht in einem Verfahren, dessen Zustandekommen die Beziehungen des deutschen zum türkischen Staat widerspiegelt. Wie bei allen §§129a/b-Anklagen gegen Kurd:innen steht keine individuelle Schuld im Raum. Es geht um deutsche (Außen-)Politik.

So beantragte der Verteidiger Yunus Ziyal gleich zu Beginn das Verfahren einzustellen, zumindest jedoch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) aufzufordern, die Verfolgungsermächtigung wegen mutmaßlicher Mitgliedschaft in der Partiya Karkerên Kurdistanê (PKK) zurückzunehmen und bis dahin die Verhandlung auszusetzen.

Nach Sicht der Verteidigung ist die Türkei kein Staat, der „die Grundwerte einer die Menschenwürde achtenden staatlichen Ordnung verkörpert“. Die vielfältigen Verstöße des türkischen Staates gegen das Völkerrecht, insbesondere die Unterstützung des sogenannten Islamischen Staates, würden begründen, dass die Türkei kein geeignetes Schutzobjekt im Sinne der §§129a/b StGB darstellt.

In seinem Antrag führte Rechtsanwalt Ziyal im Detail aus, in welchen Bereichen der türkische Staat in gravierender Weise grundlegende Menschenrechte verletzt, Minderheiten verfolgt und Grundrechte wie Presse-, Meinungs- oder Versammlungsfreiheit einschränkt. Dabei zitierte er Menschenrechtsorganisationen, die der Türkei systematische Folter, extra-legale Tötungen oder das „Verschwindenlassen“ von Oppositionellen attestierten. Auch der türkische Usus, gewählte Abgeordnete per Dekret abzusetzen und missliebige Parteien zu verbieten und so deren politische Teilhabe zu beschneiden, wurde ausführlich nachgewiesen.

Schließlich ging die Verteidigung auf die Verstöße gegen das Völkerrecht ein und benannte vergangene und aktuelle Kriegsverbrechen wie etwa die Angriffe mit Chemiewaffen sowie die offenkundige Unterstützung des IS.

Aus all dem ergäben sich im Sinne der deutschen Rechtsnorm Hindernisse, die eine Einstellung des Verfahrens begründeten. Außerdem sei nun eine neue Bundesregierung im Amt, deren Mitglieder wohl zu der Auffassung gelangen werden, dass der türkische Staat kein schutzwürdiges Gut sei und demnach die Verfolgungsermächtigung gegen die PKK zurücknähme – belegt anhand diverser Zitate.

Die Staatsanwaltschaft wurde dann vom Senat aufgefordert, bis Mitte Februar eine Stellungnahme zum Einstellungsantrag abzugeben. Ungeachtet der Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung, über die der Senat dann befinden wird, ist für Mittwoch die Fortsetzung der Verhandlung geplant mit der Vernehmung eines ermittelnden LKA-Beamten.