Am Landesgericht Wien wird am Montag gegen vier Personen verhandelt, die beschuldigt werden, im September 2019 Transparente mit der Aufschrift „Rheinmetall Entwaffnen“ und Graffitis mit dem Satz „Blut an euren Händen“ an der Außenmauer der Firma Rheinmetall in Wien-Liesing angebracht zu haben. Der Vorwurf gegen sie lautet Sachbeschädigung und in einem Fall auch Widerstand gegen die Staatsgewalt und schwere Körperverletzung. Die Wiener Ortsgruppe der Kampagne RiseUp4Rojava ruft zur solidarischen Prozessbegleitung und einer Kundgebung auf.
Rückblick: Die Graffitis und Transparente sollen in der Nacht vom 10. auf den 11. September 2019 bei Rheinmetall angebracht worden sein. Eine Person wurde deswegen direkt vor dem Firmengelände festgenommen; drei weitere später in der ungefähren Gegend aufgegriffen. Die Polizei hatte laut Presseberichten mit Hubschraubern nach weiteren „Sprayern“ gesucht. Den Festgenommenen wurde Sachbeschädigung zur Last gelegt, woraufhin bei drei der Personen Hausdurchsuchungen stattfanden.
Den Höhepunkt der Repression stellte jedoch die Abschiebung nach Deutschland und ein 10-jähriges Aufenthaltsverbot in Österreich für einen der Festgenommen mit deutscher Staatsbürgerschaft dar. Die Polizei hatte die Abschiebung in Kooperation mit dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) noch am selben Tag durchgeführt. Das Einreiseverbot wurde jedoch ein paar Monate später als rechtswidrig von einem Gericht aufgehoben.
Vorwurf Sachbeschädigung vs. Vorwurf Kriegsverbrechen
„Dieses Vorgehen, Abschiebung als Psychoterror einzusetzen und einen möglichst großen Schaden im Leben der abgeschobenen Person anzurichten, ist ein gutes Beispiel, wie brutal die Staatsgewalt versucht, einem Rüstungsunternehmen zur Seite zu stehen und unliebsamen Protest mundtot zu machen. Gleiches gilt für den haltlosen Vorwurf einer kriminellen Vereinigung in der ursprünglichen Anzeige der Polizei, um das Ausmaß der Repression rechtfertigen zu können“, kritisieren die Betroffenen auf einem Blog, der eigens für die Causa Rheinmetall angelegt wurde.
Kundgebung vor Gerichtsgebäude
Der Prozess am Wiener Landesgericht für Strafsachen in der Wickenburggasse 24 beginnt morgen um 8.30 Uhr und wird vermutlich bis 13 Uhr andauern. „Zeigen wir uns solidarisch - gegen Aufrüstung, Waffenexporte und Krieg“, heißt es im Aufruf von RiseUp4Rojava Wien zur gleichzeitig stattfindenden Kundgebung. „Zeitgleich findet ein Prozess gegen die Faschisten von der ‚Europäischen Aktion‘ statt, also achtet auf dem Hin- und Rückweg auf eure Sicherheit“, warnt die Kampagne.
Rheinmetall Wien produziert jährlich bis zu 2500 Kriegsfahrzeuge
Auf dem Blog Solidarity against Repression informieren die Angeklagten im Rheinmetall-Entwaffnen-Prozess auch über die Aktivitäten vom Wiener Standort des Rüstungskonzerns. Das Werk von „Rheinmetall MAN Military Vehicles Österreich“ in Liesing stellt nach eigenen Angaben jährlich rund 2000 bis 2500 Kriegsfahrzeuge her, die weltweit an 62 verschiedene Kriegsparteien beziehungsweise Armeen verkauft werden. „Weiterhin negativ aufgefallen ist das Werk in Wien 2017 durch die Kündigung des Betriebsrats Mesut Kimsezis, nach dem dieser Fragen nach illegalen Panzerexporten an Saudi-Arabien und die Verwicklung dieser Waffen in den Bürgerkrieg im Jemen gestellt hatte. Rheinmetall nutzte dies zum Vorwand, um eine unliebsame Person los zu werden, obwohl die Exporte vielfach von Medien nachgewiesen worden waren.“
Die Firma Rheinmetall als Ganzes habe aber noch wesentlich mehr „Dreck“ am Stecken: „Der Konzern beteiligt sich mit seinen Produkten an der Militarisierung der Grenzen weltweit zur tödlichen Abwehr von Geflüchteten, z.B. in Europa, Syrien oder Algerien. Außerdem ist er an der Entwicklung von Überwachungstechnologie und -software beteiligt, wie sie in zahlreichen Staaten zur Unterdrückung jeglicher politischer Opposition eingesetzt wird.
In dem Werk der Tochterfirma von Rheinmetall in Südafrika werden bei dem Bau von Bomben und Munition immer wieder Arbeiter*innen durch Explosionen getötet oder schwer verletzt. Auch umgeht die Firma konsequent Exportverbote in Krisenregionen. Durch Tochterfirmen beispielsweise in Südafrika oder auch auf Sardinien werden z.B. Bombenlieferungen an Saudi-Arabien getätigt, da die Tochterunternehmen nur an die jeweiligen nationalen Regeln anstelle der deutschen Exportvorschriften gebunden sind. Saudi-Arabien beispielsweise führt im Jemen-Krieg seit 2015 eine Militärkoalition an. Seitdem starben dort laut UN rund 233.000 Menschen und die Situation gilt als die aktuell größte humanitäre Katastrophe mit vielen Millionen Menschen, die von Hunger und Gewalt betroffen sind.
In die Türkei lieferte Rheinmetall immer wieder Leopard-Panzer. Die Türkei setzt diese Panzer unter anderem bei der völkerrechtswidrigen Besatzung von Afrin, einem Gebiet in Nordsyrien, Angriffen auf die anderen Teile des kurdischen Teils von Syrien (genannt Rojava) und auch gegen die kurdische Bevölkerung in der Türkei ein. Seit 2016 ist Rheinmetall an einem Joint-Venture in der Türkei beteiligt, durch welchen nun direkt im Land Panzer von einer Tochterfirma Rheinmetalls hergestellt werden (was etwaige Export-Verbote oder Sanktionen zur Makulatur werden lässt).
2020 wurden Militärfahrzeuge und Mörsergranaten von Rheinmetall und MAN direkt mit Kooperation der Türkei in den Bürgerkrieg nach Libyen geliefert, wie durch Recherchen belegt wurde. Diese fortgesetzte Kreativität, Exportverbote zu umgehen und die eigenen mörderischen Produkte für Profite umzusetzen, zeigt die kriminellen Energien, welche sich in der Branche auszahlen.“