Die Türkei führt mittlerweile in vielen Ländern Krieg. Aserbaidschan, Südkurdistan, Nordsyrien, Nordkurdistan, Jemen und Libyen sind nur einige der Regionen, in denen die Türkei aktiv Krieg führt. Bewaffnete Drohnen sind dabei zum Kernelement der türkischen Aggression geworden. Immer wieder massakrieren sogenannte Kampf- und Aufklärungsdrohnen Zivilist*innen, sei es in Syrien oder Libyen oder in Nordkurdistan. Von Drohnen abgeschossene Lenkflugkörper sind für viele türkische Kriegsverbrechen verantwortlich – vor allem in Westkurdistan/Nordsyrien und Südkurdistan/Nordirak. Ende Juni wurden in Kobanê die drei Aktivistinnen Zehra Berkel, Hebûn Mele Xelîl und Amina Waysî Opfer einer extralegalen Hinrichtung durch eine türkische Kampfdrohne. In Kuna Masî bei Silêmanî starben wenig später zwei Menschen, weitere acht Personen wurden teils schwer verletzt. Bei einem der Toten handelte es sich um ein Mitglied der ostkurdischen Partei PJAK.
„Türkei rüstet auf“
Brian Castner, Waffenexperte von Amnesty International, erklärte gegenüber dem Nachrichtenmagazin Monitor: „Die Türkei rüstet militärisch auf. Sie ist in immer mehr Ländern aktiv und fliegt ständig Luftangriffe”. Auch Simone Wisotzki von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung sagt: „Also wenn man es vergleicht mit der früheren Politik der Türkei, ist es ein deutlich aggressiveres Auftreten.” Samuel Brownsword von Drone Wars UK sagt: „Wie die Türkei ihre bewaffneten Drohnen in koordinierten Offensiven gegen andere Militärs einsetzt, ist einzigartig. Ich würde wirklich sagen, dass das Land zu den fortschrittlichsten neuen Nutzern bewaffneter Drohnen gehört.”
„Deutsche Entwicklungshilfe für türkischen Drohnenkrieg“
Der türkische Staatschef Erdoğan prahlt mit Drohnen aus „heimischer Produktion“ und lässt sich gerne ablichten, wie er die Fluggeräte selbst signiert. „Heimische Produktion“ ist allerdings nicht ganz richtig. Nach Recherchen von Monitor spielten bei der Entwicklung der Drohnen der deutsche Rüstungskonzern TDW und die Bundesregierung eine entscheidende Rolle. Aus einer Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE ging schon 2018 hervor, dass Raketenköpfe, mit denen die bewaffneten Drohnen des türkischen Militärs ausgestattet werden, vom deutschen Waffenproduzenten TDW entwickelt und samt ihrer Produktionslizenz an die Türkei verkauft wurden. TDW erhielt für die Pläne des sogenannten „Killer-Raketensystems“ fast 300.000 Euro von der Türkei.
„Türkei hätte ohne deutsche Hilfe noch fünf bis zehn Jahre länger gebraucht“
Seit Jahren wird Munition für Drohnen und Hubschrauber aus Deutschland exportiert. Ohne diese Waffen wäre die Türkei nicht in der Lage, ihre aggressive Kriegspolitik zu führen. Die Friedensforscherin Simone Wisotzki stellt fest, dass die Türkei ohne die Hilfe Deutschlands nicht in der Lage gewesen wäre, diese Drohnenmacht aufzubauen: „Wenn die Türkei darüber nicht verfügt hätte, hätte sie vermutlich noch fünf bis zehn Jahre gebraucht, um selbstständig in der Lage gewesen zu sein, solche Technologie dann auch herzustellen und einzusetzen.”
„In allen türkischen Lenkraketen steckt deutsches Knowhow“
Hergestellt werden die Raketen vom praktisch staatlichen, eng mit der Familie Erdoğan verbundenen Rüstungskonzern Roketsan. Die Bundesregierung bestätigte in einer aktuellen Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen, dass Lieferungen von „Bauteilen, Gefechtsköpfen und Technologie” für die „Panzerabwehrlenkwaffen LRAT und MRAT” genehmigt wurden. Monitor erklärt: „Was technisch klingt, heißt übersetzt: Es wurde offenbar Knowhow für eine ganze Reihe türkischer Raketen geliefert. Denn MRAT und LRAT sind Bezeichnungen für bestimmte Raketentypen. In der Türkei werden sie unter den Namen OMTAS und UMTAS hergestellt. Auf Basis der UMTAS wurde die sog. MAM-L entwickelt. Laut Roketsan baugleich bis auf den Antrieb. Sie gehört zur Standardbewaffnung türkischer Drohnen. In all diesen Raketen dürfte deutsches Knowhow stecken.“ Die Lieferung von Gefechtsköpfen wie auch Bauplänen bot der Türkei die Möglichkeit, schneller zu Waffen aus eigener Produktion zu kommen.
„Technologietransfers dienten dazu, der Türkei den Nachbau zu ermöglichen“
Brian Castner, Waffenexperte von Amnesty International, sagt: „Die Technologie, die Materialien und alle Arbeitsschritte zu entwickeln, braucht einfach Zeit. Solche Technologietransfers geben eine Art Anleitung. Die Türkei kann damit sehen, wie deutsche Ingenieure verschiedene Probleme gelöst haben. Es ist eine Art Abkürzung.“ Zur geringen Zahl der gelieferten Gefechtsköpfe merkt Castner an: „Das Wahrscheinlichste ist für mich, dass die Zahl der Gefechtsköpfe genau richtig war, um es den Ingenieuren in der Türkei zu ermöglichen, die Gefechtsköpfe zu verstehen und nachzubauen. Auf diese Art kann die Türkei lernen, ihre eigenen zu bauen.“
Bundesregierung verstößt gegen Waffenhandelsvertrag
Die Bundesregierung verstößt damit offen gegen die Verlautbarung, keinen Export von Waffen oder Rüstungsgütern zu genehmigen, wenn absehbar ist, dass sie in völkerrechtswidrigen Konflikten eingesetzt werden. So steht es in den eigenen politischen Grundsätzen und auch im Waffenhandelsvertrag. Dass die Besetzung Nordsyriens völkerrechtswidrig ist, bestreiten selbst die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags nicht. Dies scheint die Bundesregierung allerdings in keiner Weise zu stören. Die Bundesregierung weicht auf entsprechende Fragen aus und erklärt, sie prüfe im Einzelfall. Weitere Auskünfte über diese Prüfungen verweigert die Regierung.
Katja Keul (B‘90/Grüne), Mitglied des Verteidigungsausschusses, kommentiert: „Innerhalb der Kriegswaffen sind halt gerade Gefechtsköpfe tödlich wirkende Mittel, die auf verschiedene Waffen aufgesetzt werden können und deswegen muss [man] hier natürlich besonders hingucken. Und wenn man dann dafür auch noch die Technologie liefert, die dem Empfänger ermöglicht, das dann möglicherweise selber zu produzieren, hat man am Ende die Kontrolle aus der Hand gegeben, was sicherheitspolitisch unverantwortlich ist.“