Gegen die in Istanbul unter Hausarrest festgehaltene Kölnerin Gönül Örs ist Anklage erhoben worden. Prozessauftakt sei am 16. Juni in Istanbul, sagte ihre Anwältin Ayşe Çelik der dpa am Mittwoch. Örs werden Terrorpropaganda für die kurdische Arbeiterpartei PKK, Freiheitsberaubung unter Gewaltanwendung oder Täuschung und „Entführung oder Beschlagnahmung“ von Beförderungsmitteln vorgeworfen.
Hintergrund ist eine Protestaktion im Jahr 2012 auf einem Schiff in Köln. Eine Gruppe kurdischer Jugendlicher hatte kurzzeitig einen Ausflugsdampfer auf dem Rhein besetzt, um mit der Verlesung einer Erklärung auf den damals in Straßburg durchgeführten Hungerstreik gegen die Isolation Abdullah Öcalans aufmerksam zu machen. Die Jugendlichen waren nach der Aktion vorübergehend festgenommen worden.
In Deutschland wurde das Ermittlungsverfahren gegen Gönül Örs in diesem Fall eingestellt. Die türkische Ermittlungsakte stützt sich auf damalige Informationen eines BKA-Kontaktbeamten.
Gönül Örs ist die Tochter von Hozan Canê, die in der Türkei im Gefängnis ist. Die kurdische Musikerin, die mit bürgerlichem Namen Saide Inaç heißt, wurde im November 2018 in Edirne wegen angeblicher „Mitgliedschaft in der PKK“ zu sechs Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Die Kölnerin hatte den Wahlkampf der Demokratischen Partei der Völker (HDP) unterstützt und wurde am 23. Juni 2018, einen Tag vor den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen, in Edirne festgenommen und anschließend inhaftiert. Ihr wird vorgeworfen, in einem Spielfilm eine YPJ-Kämpferin dargestellt und kritische Beiträge in den sozialen Medien verbreitet zu haben.
Nachdem Hozan Canê im Frühjahr 2019 bis zum Vollzug ihrer Strafe freigelassen worden war, reiste ihre Tochter Gönül Dilan Örs im Mai 2019 nach Istanbul, um ihre Mutter zu besuchen. Dort wurde sie festgenommen, anschließend wieder freigelassen und mit einer Ausreisesperre belegt. Inzwischen ist sie mit einer elektronischen Fußfessel im Hausarrest in einer Wohnung in Istanbul.