Protest in Giyadîn: Niemand kann uns unseren Willen nehmen

In Giyadîn ist gegen die Festnahme der Bürgermeisterin und die Polizeiblockade im Rathaus protestiert worden. HDP-Vize Saruhan Oluç sagte in Ankara: „Das staatliche Vorgehen richtet sich nicht nur gegen die HDP, es ist auch zutiefst frauenfeindlich.“

In Giyadîn (türk. Diyadin) in der nordkurdischen Provinz Agirî (Ağrı) ist gegen die Festnahme von Betül Yaşar (HDP) protestiert worden. Die Ko-Bürgermeisterin der Kreisstadt ist am Morgen in ihrer Wohnung festgenommen worden. Zeitgleich wurde das HDP-regierte Rathaus aufgebrochen und durchsucht. Das Gebäude ist von Sicherheitskräften abgeriegelt worden.

Bei der Protestaktion marschierte eine Menschengruppe, darunter die HDP-Abgeordneten Abdullah Koç und Dilan Dirayet Taşdemir, von der Parteizentrale zum Rathaus und wollte eine Erklärung abgeben. Die Polizei intervenierte zunächst, nach längerem Beharren konnte sich die Gruppe schließlich durchsetzen. Abdullah Koç erklärte, in der Türkei herrsche eine „Putsch-Politik“. Der Abgeordnete forderte die sofortige Freilassung der Bürgermeisterin und einen Abzug der Sicherheitskräfte aus dem Rathaus. Seine Fraktionskollegin Taşdemir verwies auf die Zustände in anderen zwangsverwalteten Städten und sagte, der AKP-Regierung gehe es um „Plünderung und Diebstahl“. In den unter staatliche Treuhandschaft gestellten Kommunen würden die öffentlichen Mittel unter AKP-Anhängern aufgeteilt, so Dilan Dirayet Taşdemir: „Der Regierung sollte bewusst sein, dass wir uns dieser faschistischen Politik nicht beugen werden. Sie mag unsere Rathäuser beschlagnahmen, aber niemand kann uns unseren Willen, unseren Kampf und unsere Suche nach Freiheit nehmen.“

Saruhan Oluç: „Zutiefst frauenfeindlich“

Der HDP-Vizefraktionsvorsitzende Saruhan Oluç hat unterdessen auf einer Pressekonferenz im Parlament in Ankara darauf hingewiesen, dass mit der Festnahme der Bürgermeisterin und der Besatzung des Rathauses eine staatliche Zwangsverwaltung vorbereitet wird: „Wir hatten noch elf Rathäuser und wir wissen, dass auch dort Zwangsverwalter eingesetzt werden. Warum hat es jetzt also die Kommunalverwaltung von Giyadîn getroffen? In Giyadîn sind in letzter Zeit viele Dinge getan worden, die der Bevölkerung und vor allem den Frauen nützen. Vergangene Woche wurde ein Frauenmarkt eröffnet, ein Frauenberatungszentrum befindet sich im Aufbau. Das staatliche Vorgehen richtet sich nicht nur gegen die HDP, es ist auch zutiefst frauenfeindlich. Jeder vom Staat eingesetzte Treuhänder lässt als erstes kurdischsprachige Hinweisschilder entfernen. Als zweiter Schritt wird die Frauenarbeit blockiert.“

In bisher 46 der 65 HDP-regierten Rathäuser sind vom türkischen Innenministerium Zwangsverwalter eingesetzt worden, zahlreiche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sind im Gefängnis.