Polizeigewalt und Festnahmen bei Mahnwache für Gefangene

Die türkischen Behörden haben erneut die „Gerechtigkeitswache“ von Angehörigen kranker Gefangener verhindert, zahlreiche Personen wurden festgenommen. Die Polizei ging auch gegen Medienschaffende vor, eine Journalistin befindet sich in Gewahrsam.

Es war das seit Monaten in Istanbul wiederkehrende Ritual. Angehörige von Inhaftierten wollten an einem belebten Platz der westtürkischen Metropole eine Erklärung abgeben, um ihr Anliegen in die Öffentlichkeit zu tragen: Die Freilassung von krankheitsbedingt haftunfähigen Gefangenen und das Ende einer Maßnahme des Justizministeriums, die Entlassungen von politischen Gefangenen nach Absitzen ihrer Haftstrafe von einem Reuebekenntnis abhängig macht. In türkischen Gefängnissen sitzen zahlreiche Personen ein, deren reguläre Haftdauer längst abgelaufen ist und die aufgrund ihrer politischen oder weltanschaulichen Meinung trotzdem nicht freigelassen werden. Die Polizei verhindert die „Gerechtigkeitswache“, wie die Aktion von den Beteiligten genannt wird, mit aller Gewalt. Schon früh wurde der Kartal-Platz im gleichnamigen Bezirk abgesperrt, ebenso wie nahezu alle Straßen in der Umgebung.

Eine Gruppe von Gefangenenangehörigen und Unterstützenden, darunter der HDP-Abgeordnete Ali Kenanoğlu, versuchten dennoch den Platz zu erreichen, wurden aber von einem massiven Polizeiaufgebot daran gehindert. Die Beteiligten wurden zunächst in einen Kessel genommen und darauf hingewiesen, dass sie sich einem durch das örtliche Landratsamt angeordneten Versammlungsverbot widersetzt hätten. Bald darauf wurden bereits erste Festnahmen durchgeführt, teilweise durch massiven Gewalteinsatz. Bis zum späten Samstagnachmittag war unklar, wie viele von ihnen in Gewahrsam genommen wurden. Unbestätigten Angaben nach befinden sich rund 20 Personen auf der Wache in Kartal in Polizeihaft. Unter ihnen sind auch die Gefangenenangehörigen Fince Akman, Cemile Çiftçi, Cemile Karakaş und Kumri Akgül sowie die Ko-Vorsitzende des HDP-Kreisverbands Kartal, Aygül Sincar.

„Die freie Presse kann nicht zum Schweigen gebracht werden“ ruft die Journalistin Elif Bayburt bei der Festnahme © MA


Medienschaffende drangsaliert und festgenommen

Auch Journalistinnen und Journalisten sind von der Polizei angegriffen worden, die ETHA-Korrespondentin Elif Bayburt wurde mit auf dem Rücken gefesselten Händen abgeführt. Doğan Kaynak, der für die Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) arbeitet und die Gerechtigkeitswache ebenfalls begleitete, wurde an verschiedenen Stellen des Platzes von Polizisten bedrängt, mehrmals grob angepackt, geschubst und an der Arbeit gehindert. Ali Kenanoğlu verurteilte das Auftreten der Polizei und sagte: „Die Gefängnisse dieses Landes haben sich zu Orten der Isolation, Folter und des Todes entwickelt. Doch Müttern, die um das Leben ihrer inhaftierten Kinder kämpfen, wird die Stimme genommen. Das lassen wir nicht zu. Der Widerstand wird weitergehen.“ Zahlreiche umstehende Personen protestierten ebenfalls gegen das gewaltsame Vorgehen der Polizei. Die Beamten sprachen Platzverweise unter Androhung von Festnahmen aus.