Polizeiangriff auf Zwangsverwalter-Proteste
In Istanbul und Ankara sind Protestaktionen gegen die Zwangsverwaltung kurdischer Provinzen von der Polizei angegriffen worden. Es kam zu Dutzenden Festnahmen.
In Istanbul und Ankara sind Protestaktionen gegen die Zwangsverwaltung kurdischer Provinzen von der Polizei angegriffen worden. Es kam zu Dutzenden Festnahmen.
In Istanbul und Ankara sind Kundgebungen der Demokratischen Partei der Völker (HDP) angegriffen worden. Die HDP wollte gegen die Absetzung der demokratisch gewählten Oberbürgermeister*innen von Amed (Diyarbakir), Wan (Van) und Mêrdîn (Mardin) protestieren.
Auf dem Sakarya-Platz in Ankara wurden zehn Personen gewaltsam festgenommen. Im Istanbuler Stadtteil Beşiktaş wurde der Kundgebungsort mit gepanzerten Polizeifahrzeugen umstellt, anschließend griff die Polizei an und nahm eine bisher unbekannte Anzahl Menschen fest.
Bürgermeister durch staatliche Zwangsverwalter ersetzt
Am 19. August sind die Ko-Bürgermeister*innen der kurdischen Großstädte Amed, Wan und Mêrdîn auf Betreiben des Innenministeriums abgesetzt und durch staatliche Zwangsverwalter ersetzt worden. Die AKP-Regierung rechtfertigt die Entmachtung der demokratisch gewählten Politiker*innen Adnan Selçuk Mızraklı, Bedia Özgökçe Ertan und Ahmet Türk mit vagen Terrorismus-Vorwürfen. In einer Stellungnahme des Innenministeriums sind verschiedene Verdächtigungen aufgeführt. So ist etwa davon die Rede, dass die Oberbürgermeister*innen kommunale Gelder an die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) weitergeleitet hätten. Zudem werden sie beschuldigt, mit dem System der genderparitätischen Doppelspitze bei der HDP, wonach jeweils ein Mann und eine Frau das Bürgermeisteramt gemeinsam ausüben, unbefugte Personen in offizielle Positionen gebracht und auf Anordnung der PKK eine nicht verfassungsmäßige politische Struktur eingeführt zu haben, die nicht mit den offiziellen politischen Regeln und Vorschriften zu vereinbaren sei.
Die HDP erklärte, dass die Begründung für die Zwangsverwaltung vollkommen erfunden sei. Die Regierung könne es nicht ertragen, dass die Korruption und Verschwendung von öffentlichen Geldern der ehemaligen Treuhänder ans Tageslicht kommt.
Bereits nach dem versuchten Militärputsch vom 15. Juli 2016 waren 98 der 102 kurdischen Kommunalverwaltungen per Notstandsdekret unter staatliche Treuhänderschaft gestellt worden. 40 der abgesetzten Bürgermeister*innen sitzen bis heute in Untersuchungshaft. Bei den Kommunalwahlen Ende März gelang es der HDP, einige der usurpierten Gemeinden zurückzugewinnen. Seitdem hat sie Einblick in die Haushaltsführung der Statthalter. Alle drei Stadtverwaltungen, denen nun Zwangsverwalter zugewiesen wurden, waren vor fünf Monaten mit Schuldenbergen in dreistelliger Millionenhöhe übernommen worden. Die Ausgaben der Treuhänder sind kaum nachzuvollziehen. So wurde in Amed beispielsweise für den Luxusumbau eines Büroraums über 330.000 Euro ausgegeben. In Mêrdîn sollen in drei Monaten 25.000 Euro für Kaffee, Trockenfrüchte und Nüsse bezahlt worden sein.