Türkischer Innenminister droht Imamoğlu

Nach dem Besuch des Istanbuler Oberbürgermeisters Ekrem Imamoğlu bei seinen abgesetzten Amtskollegen in Amed nennt ihn der türkische Innenminister einen „Unwissenden“ und droht, ihn „fertigzumachen“.

Gut zwei Wochen ist es her, dass in den kurdischen Großstädten Amed (Diyarbakir), Mêrdîn (Mardin) und Wan (Van) die Ende März aus den Kommunalwahlen als deutliche Sieger hervorgegangenen Oberbürgermeister*innen der Demokratischen Partei der Völker (HDP) von der Regierung abgesetzt und durch Zwangsverwalter der AKP ersetzt wurden. Die Begründung geht auf eine altbekannte Strategie zurück: Den Politiker*innen wird Terrorunterstützung unterstellt. Unter anderem werden sie beschuldigt, mit dem System der genderparitätischen Doppelspitze bei der HDP, wonach jeweils ein Mann und eine Frau das Bürgermeisteramt gemeinsam ausüben, auf Anordnung der Arbeiterpartei Kurdistans PKK eine nicht verfassungsmäßige politische Struktur eingeführt zu haben, die nicht mit den offiziellen politischen Regeln und Vorschriften zu vereinbaren sei.

Die HDP erklärte, dass die Begründung für die Zwangsverwaltung vollkommen erfunden sei und rief zum demokratischen Widerstand auf. Fast überall im Land kam es daraufhin zu Demonstrationen, die teilweise mit brutaler Polizeigewalt aufgelöst wurden. In den drei kurdischen Metropolen, denen Statthalter zugewiesen wurden, finden den 16. Tag in Folge Mahnwachen statt.

In der neuerlichen Zwangsverwaltung der HDP-geführten Kommunalverwaltungen sieht die Partei einen politischen Putsch, der sich gegen alle Demokratiekräfte richtet. Anders als in den Vorjahren schloss sich diesmal auch die republikanische Oppositionspartei CHP den Protesten gegen das Vorgehen der Regierung an. Deren Oberbürgermeister von Istanbul, Ekrem Imamoğlu, profitierte bei den erzwungenen Neuwahlen im Juni von der Hilfe der HDP. Die kurdischen Stimmen waren entscheidend für seinen Wahlerfolg.

Am vergangenen Samstag ist Imamoğlu schließlich in Amed mit seinen abgesetzten Amtskollegen Adnan Selçuk Mızraklı und Ahmet Türk zusammengetroffen. Der Politiker verurteilte bei dem Gespräch die Ernennung von Zwangsverwaltern anstelle der rechtmäßig gewählten Bürgermeister und betonte die Notwendigkeit, gemeinsam gegen Unrecht vorzugehen. Dabei spiele es keine Rolle, ob der Schauplatz Istanbul oder Amed sei und um welche Parteizugehörigkeit es sich handele. „Es geht um den Kampf für Gerechtigkeit und Demokratie. Wir müssen uns gemeinsam für die Republik und die Demokratie einsetzen. Wir werden diese Werte furchtlos weiter verteidigen und niemals aufhören, für Frieden und Freiheit zu plädieren. Der gesunde Menschenverstand in diesem Land und die Sehnsucht nach einem friedlichen Zusammenleben sind stark genug, um gegen die Unterdrückung und Diskriminierung zu siegen“, sagte Imamoğlu.

Als Reaktion darauf kam nun in gewohnt harscher Manier eine Attacke vom türkischen Innenminister Süleyman Soylu. Bei einer Rede in Bursa griff der AKP-Politiker Ekrem Imamoğlu scharf an und drohte, ihn „fertigzumachen“. Der Istanbuler Oberbürgermeister sei ein „Unwissender“, dem seine Grenzen aufgezeigt werden müssten. „Wenn du deinen Job machst, bist du mehr als willkommen. Aber wenn du dich mit anderen Aufgaben als deiner Arbeit beschäftigst, werden wir dich fertigmachen“, sagte Soylu.

Der türkische Innenminister ist bekannt für seinen drohenden Ton. Vor einem Jahr drohte er der HDP-Vorsitzenden Pervin Buldan mit dem Tod und sagte: „Ihr habt von nun an kein Recht auf Leben“.