Pena.ger: Beratung für Geflüchtete auf Instagram
Die nach dem Tod des Kurden Hogir Alay gegründete Initiative Pena.ger bietet niedrigschwellige Beratung und Orientierungshilfe für Geflüchtete auf Deutsch, Kurdisch und Türkisch an.
Die nach dem Tod des Kurden Hogir Alay gegründete Initiative Pena.ger bietet niedrigschwellige Beratung und Orientierungshilfe für Geflüchtete auf Deutsch, Kurdisch und Türkisch an.
Sozial- und Rechtsberater:innen und Aktivist:innen aus Oldenburg und Umgebung haben eine Initiative für eine niedrigschwellige Beratung von Geflüchteten auf Deutsch, Kurdisch und Türkisch gegründet. Pena.ger versucht auf Instagram, Ratsuchende vor allem in Bezug auf die örtliche Struktur zu unterstützen, da sie diese oft nicht kennen. Die Tätigkeit umfasst Asylverfahrensberatung und die Bereitstellung von Orientierungshilfen. Die Initiative erreichen Fragen wie: Was bedeutet Dublin-Verfahren? Wie ändere ich meine Adresse beim BAMF? Wo kann ich zur Migrationsberatung? Wie lasse ich mein Abschluss anerkennen? Wo sind die Bedingungen günstiger, wenn ich Asyl beantrage – in der Schweiz oder in Deutschland? Und wie bereite ich mich als queerer Mensch auf ein Interview vor?
Nach dem Tod von Hogir Alay gegründet
Entstanden ist Pena.ger nach dem Tod von Hogir Alay. Sein verwester Leichnam wurde am 4. November hinter der Turnhalle des Flüchtlingslagers im rheinland-pfälzischen Kusel erhängt aufgefunden. Der 24-jährige Kurde hatte sich wegen der miserablen und menschenunwürdigen Behandlung in der Unterkunft für Geflüchtete an das BMBF, an die Übersetzer:innen der Einrichtung und die Ausländerbehörde gewandt, die aber allesamt sein Anliegen weder ernst nahmen noch weiterleiteten und übersetzten und damit ihrer Pflicht zur Hilfe und Unterstützung in keiner Weise nachkamen. „Der schreckliche Fall von Hogir Alay wirft für die Familie, Freund:innen und die Öffentlichkeit viele offene und ungeklärte Fragen auf und macht schmerzlich deutlich, wie wichtig eine empathische und gute Beratung und Betreuung ist“, sagt Soniya, Mitbegründerin von Pena.ger.
Haushaltskürzungen für Migrationsberatung
Ein weiterer Grund, die Initiative ins Leben zu rufen, waren die geplanten Haushaltskürzungen der Bundesregierung im Jahr 2024 um dreißig Prozent im Bereich der Migrationsberatung, so Soniya weiter: „Kürzungen, die von der Bundesregierung mit der aktuellen Haushaltslage begründet werden und den Sozialverbänden angeblich Planungssicherheit geben sollen. Das ist zynisch.“ Die Linksabgeordnete Clara Bünger beurteilte die Entscheidung so: „Der Versuch einer Umdeutung massiver Kürzungen im Bereich der Migrationsförderung in vermeintliche Wohltaten der Bundesregierung ist an Kaltschnäuzigkeit kaum zu überbieten.“
„Dieser Entwicklung setzen wir Solidarität entgegen“
„Dieser Entwicklung setzen wir mit der Gründung von Pena.ger unsere Solidarität entgegen“, erklärte Beybûn, ein weiteres Mitglied der Initiative, gegenüber ANF. Aufgrund fehlender Strukturen und nur begrenzt verfügbarer kurdischsprachiger Berater:innen liegt der Fokus der Initiative Pena.ger insbesondere auf niedrigschwelliger Verweisberatung in Deutsch, Kurdisch und Türkisch.
„Kurd:innen sind besonders vulnerabel und unsichtbar“
„Kurd:innen sind auf unterschiedlichen Ebenen besonders vulnerabel und unsichtbar, umso wichtiger ist es, ihnen Anlaufstellen und Angebote in ihrer Sprache zu ermöglichen. Wir versuchen, Ratsuchende vor allem in Bezug auf die örtliche Strukturen zu unterstützen, da diese ihnen oft nicht vertraut sind. Die Tätigkeiten umfassen Asylverfahrensberatung sowie die Bereitstellung von Orientierungshilfen. Häufig gestellte Fragen beinhalten Themen wie das Dublin-Verfahren, Adressänderungen beim BAMF, Migrationsberatungsorte, Anerkennung von Abschlüssen und die Auswahl des günstigsten Asylantragsortes. Besonders betont wird auch die Vorbereitung queerer Menschen auf Interviews im Asylverfahren. Solche Fragen erfordern vertiefte Beratung, die durch den Einsatz von Telefonen und einem verschlüsselten End-to-End-Netzdienst verbessert werden kann, wenn der Bedarf steigt“, erklärte Beybûn zum Ansatz der Initiative.
Leicht zugängliche Erstunterstützung für Geflüchtete
Charakteristisch für die Arbeit der Initiative ist die Verweisberatung. Der Begriff „Verweisberatung" wird hervorgehoben und seine zunehmende Bedeutung in der Migrationsberatung für Geflüchtete betont. Als leicht zugängliche Erstunterstützung klärt Pena.ger individuelle Beratungsbedürfnisse und vermittelt dann an spezialisierte Beratungsstellen in Städten und Regionen. Obwohl die Initiative viele Fragen in der Migrationsberatung beantworten kann, wird die Wichtigkeit der Weiterleitung bei ungeklärten Anliegen betont.
Pena.ger ist eine Kombination der kurdischen Wörter pena (Schutzort/Hilfe) und ger (Suche/Suchender). „Wir haben uns für diesen Namen entschieden, um auf jemanden hinzuweisen, der Schutz sucht oder Hilfe benötigt, inspiriert vom kurdischen Wort penaber für Geflüchtete“, sagt Mitbegründerin Soniya. Erreichbar ist die Initiative auf Instagram unter @pena.ger und per E-Mail unter [email protected].
Civaka Azad: Viele kurdische Schutzsuchende in Deutschland
Die Türkei liegt inzwischen auf Platz zwei der wichtigsten Herkunftsstaaten für Asylbewerber:innen in Deutschland. Von Januar bis November 2023 haben 55.354 Menschen aus der Türkei hier einen Antrag auf Asyl gestellt. Damit liegt die Türkei knapp vor Afghanistan (48.172 Anträge) und deutlich vor dem Irak (10.376) und Iran (8.891 Anträge). Nur bei Menschen aus Syrien ist die Zahl der Asylbewerber:innen noch deutlich höher (95.354 Anträge).
Wie das kurdische Zentrum Civaka Azad in einem Newsletter mitteilte, ist die Mehrheit der Geflüchteten aus der Türkei kurdischer Herkunft. Bis Oktober dieses Jahres waren es rund 85 Prozent. Doch laut Pro Asyl ist die Anerkennungsquote für Kurd:innen aus der Türkei besonders niedrig. Im Schnitt lehnt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zwei von drei Anträgen von Kurd:innen ab. „Dabei wird keine andere gesellschaftliche Gruppe in der Türkei so stark verfolgt und unterdrückt wie die Kurd:innen. Wenn wir die kurdischen Geflüchteten aus Iran, dem Irak und Syrien hinzuzählen, werden wir schnell feststellen, dass die Kurd:innen einen großen Anteil der schutzbedürftigen Geflüchteten in Deutschland ausmachen. Doch die deutschen Behörden und die deutsche Politik scheinen auf diese Tatsache nicht vorbereitet zu sein“, so Civaka Azad.