Oxfam: Türkei am Ende der Liste sozialer Ungleichheit

Nach einem Bericht der NGO Oxfam befindet sich die Türkei auf dem drittletzten Platz eines weltweiten Rankings über ungleiche Wohlstandsverteilung. Auch was Arbeitsschutz und gewerkschaftliche Organisierung betrifft, bildet die Diktatur ein Schlusslicht.

Die Wohlstandsverteilung in der Türkei ist dramatisch ungerecht. Eine offensichtliche Realität, die nun durch die statistische Erfassung durch Oxfam untermauert wird. So besitzen in der Türkei ein Prozent der Bevölkerung 41 Prozent des gesamten Reichtums des Landes. Das bringt die Türkei auf Platz 158 von einer Liste von 161 Staaten, die nach dem Kriterium der Ungleichheit der Wohlstandsverteilung aufgestellt wurde.

Laut dem von Oxfam und Development Finance International (DFI) erstellten Index of Commitments to Reducing Inequality (CRI-Index) 2022 sind die ökonomischen Ungleichheiten sowohl in Industrie- als auch in sogenannten Entwicklungsländern während der Pandemie seit 2020 explodiert. Die überwiegende Mehrheit der Länder hat trotz der schlimmsten Gesundheitskrise des letzten Jahrhunderts ihre Ausgaben für Gesundheit, Bildung und sozialer Absicherung gekürzt.

Preissteigerungen für die Armen, Steuersenkung für die Reichen

Der CRI-Index 2022 erfasst die Ausgaben-, Steuer- und Arbeitsmarktpolitik sowie die Maßnahmen von 161 Regierungen in den Jahren 2020 bis 2022, den ersten beiden Jahren der Pandemie. In diesem Zeitraum stieg die Armut auf ein Rekordhoch, und auch die Menschen, die auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft angewiesen sind, hatten mit noch nie dagewesenen Preissteigerungen zu kämpfen. Dennoch haben zwei Drittel der im Index erfassten Länder ihre Mindestlöhne nicht erhöht, selbst in Anbetracht eines während der Pandemie verzeichneten Wirtschaftswachstums. Darüber hinaus behielten 143 von 161 Ländern die Steuersätze für die Reichsten auf demselben Niveau, während elf Staaten diese sogar senkten.

Steuern bei Reichen und Unternehmen werden nicht eingezogen

Was eine gerechte Besteuerungspolitik und eine dementsprechende Verteilung von Wohlstand durch Besteuerung betrifft, liegt die Türkei auf Platz 114. Auch bei den Sozialausgaben ist die Türkei das Schlusslicht unter den OECD-Ländern. Die Türkei hat in den letzten beiden Jahren ihre Körperschafts- und Einkommenssteuersätze erhöht, doch die Einzugsquoten dieser Steuern sind extrem gering (17 bzw. 16 Prozent).

Gewerkschaftsrechte werden zurückgedrängt – Türkei besonders schlimm

87 Prozent der Länder verletzen dem Bericht zufolge das Streikrecht, 79 Prozent das Recht auf Tarifverhandlungen und 74 Prozent das Recht, eine Gewerkschaft zu gründen oder ihr beizutreten. Im Jahr 2021 gehörte die Türkei zu den Ländern mit den schlechtesten gewerkschaftlichen Rechten und den gravierendsten Einschränkungen und nimmt ihren Platz zwischen Bangladesch, Ägypten, Honduras, Myanmar, den Philippinen, Simbabwe und Weißrussland ein. Auch die Rechte von Arbeiterinnen sind dramatisch eingeschränkt. So gibt es nur wenige Tage Geburtsurlaub und Frauen erhalten während des Mutterschaftsurlaubs nur zwei Drittel ihres Lohns.

Mindestlohn rutscht angesichts von Preissteigerungen in den Keller

Was das Verhältnis des Mindestlohns zum Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt angeht, erlebte die Türkei einen starken Rückgang, da das Verhältnis des Mindestlohns zum Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in den letzten zwei Jahren von 60 Prozent auf 50 Prozent fiel. Der Mindestlohn liegt in der Türkei Land bei 5.500 TL (ca. 304 Euro) und damit unter der Hungergrenze. Die Armutsgrenze für eine vierköpfige Familie beträgt das Vierfache des Mindestlohns.