OLG-Celle: Politisches Urteil im Verfahren gegen Mehmet Çakas

Mehmet Çakas wurde keine individuelle Straftat nachgewiesen. Trotzdem soll der kurdische Aktivist fast drei Jahre im Gefängnis bleiben. Das Urteil des Celler Staatsschutzsenats ist noch nicht rechtskräftig und die Anwälte werden in Berufung gehen.

Solidarische Prozessbeobachtung

Am gestrigen Mittwoch wurde am Oberlandesgericht Celle das Urteil im Verfahren gegen den kurdischen Aktivisten Mehmet Çakas gesprochen. Mehmet wurde zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft für die ihm vorgeworfene Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt. Zuvor hatte die Verteidigung aufgrund der dünnen Beweislage und dem politischen Charakter des Prozesses Freispruch gefordert. Begleitet wurde die Urteilsverkündung von einer Kundgebung vor dem Gericht, die mit etwa 50 Teilnehmer:innen die Freiheit des Angeklagten forderte.

Mehmet wurde im Frühjahr 2023 von Italien nach Deutschland mit dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ausgeliefert. Die Hauptverhandlung begann Anfang September letzten Jahres. Verteidiger Elberling zeigte sich enttäuscht über das Urteil des Oberlandesgerichts und kündigte an, dass der Angeklagte in Revision gehen wird: „Wie so häufig bestehen die ,Betätigungshandlungen', die unseren Mandanten zum ,Terroristen' machen sollen, ausschließlich in für sich genommen total legalen Handlungen, insbesondere der Organisation von Demonstrationen, daneben etwa der Beteiligung an Trauerfeiern oder der Schlichtung von Streits in der kurdischen Community. Erschütternd war, dass das Gericht sich nicht die geringste Mühe gegeben hat, zwischen verschiedenen Akteuren der kurdischen Bewegung zu differenzieren, und dass es etwa eine Rede auf der Trauerfeier für einen verstorbenen PYD-Politiker ohne weiteres als Beleg für eine PKK-Mitgliedschaft herangezogen hat."

Mehmet wurde keine individuelle Straftat nachgewiesen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und die Anwälte werden in Berufung gehen.

Ich habe keine Straftat begangen“

Mehmet wurde zuvor schon in der Türkei aufgrund seines Engagements für die kurdische Gesellschaft durch die türkische Justiz verfolgt. In seiner Kindheit erlebte er, wie der türkische Staat seinen Vater ermordete und seiner und vielen weiteren kurdischen Familien die Lebensgrundlage genommen wurde, indem ihre Dörfer zerstört wurden. Çakas zeigte sich verwundert darüber, dass er hier in Deutschland auf die gleiche Weise verfolgt werde, wie zuvor schon in der Türkei und das, obwohl er in Deutschland keine Straftat begangen habe.

Den politischen Charakter des Prozesses hob auch Verteidiger Elberling hervor, als er abschließend bewertete: „Mit einer Begründung wie der, mit der das OLG Celle heute Mehmet Çakas als Gebietsleiter der PKK verurteilt hat, könnte letztlich jeder kurdische Mensch, der sich gegen das Erdogan-Regime und für die kurdische Bevölkerung engagiert, verurteilt werden."

Der Vorsitzende Richter betonte zu Beginn der Urteilsbegründung, dass es sich, entgegen der Bewertung der Verteidigung im Plädoyer der letzten Woche, hier nicht um ein politisches Verfahren, sondern um ein ganz normale strafrechtliche Hauptverhandlung handele. Elberling bewertet diese Aussage schon durch den unbedingten Verurteilungswillen, den das Gericht gezeigt habe, als widerlegt.

Freiheit für alle politischen Gefangenen"

Es kam im Gerichtssaal mehrfach zu Zwischenrufen aus dem Besucherbereich. Unter anderem wurde gerufen: „Freiheit für alle politischen Gefangenen". Diese Äußerung folgte unter anderem unmittelbar auf die Bekanntgabe des Urteils durch den Richter.

Auf der Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude wurden mehrere Reden gehalten, darunter auch von der Klimagerechtigkeitsgruppe Ende Gelände. „Wie kann es sein, dass dem Kampf für eine bessere Zukunft mit Strafe begegnet wird? Und wie kann es sein, dass das nichts Neues ist?", fragte Charlotte Schmidt. Sie verwies auf zahlreiche historische Beispiele, wie dem von Thoreau, der 1886 inhaftiert wurde, weil er sich weigerte einem Staat Steuern zu zahlen, der die Sklaverei duldet, oder der 27-jährigen Gefangenschaft Mandelas. Schmidt fragte, wieso wir stattdessen nicht über Lebensmittelknappheit, Dürren und den Krieg in Rojava reden, und rief zum Handeln auf.