Nürnberg: Solidaritätskundgebung vor dem Medya Volkshaus
Zahlreiche Internationalist:innen versammelten sich beim Medya Volkshaus in Nürnberg zu einer Solidaritätskundgebung: „Wir geben die Hoffnung auf das Licht der Freiheit nicht auf.“
Zahlreiche Internationalist:innen versammelten sich beim Medya Volkshaus in Nürnberg zu einer Solidaritätskundgebung: „Wir geben die Hoffnung auf das Licht der Freiheit nicht auf.“
Etwas mehr als zwei Wochen sind vergangen, als gleich zwei Schläge die kurdische Community in Nürnberg erschütterten. Am 22. Dezember wurde der bekannte kurdische Politiker Tahir K. verhaftet, zeitgleich fanden Razzien im lokalen kurdischen Verein und in einer Privatwohnung statt.
Am Tag darauf dann das Entsetzen über die Ermordung der drei kurdischen Aktivist:innen Evîn Goyî, Mîr Perwer und Abdurrahman Kızıl in Paris. Zur Trauer über dieses zweite Massaker in der französischen Hauptstadt gesellte sich die Wut. Wer waren die Auftraggeber? Die Morde von 2013 an Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez wurden nie aufgeklärt. Werden die Drahtzieher auch diesmal davon kommen?
Es sind dunkle Tage, die das Leben lähmen – auch in Nürnberg. Da tut es gut, Solidarität zu spüren, wie heute bei einer Kundgebung, die die Rote Hilfe vor dem Medya Volkshaus organisierte. In vielen Redebeiträgen wurde auf die Frage eingegangen: Warum lassen sie die Kurd:innen nicht in Ruhe? Eine rhetorische Frage, denn die Antwort ist jedem bekannt.
Wie anderswo wurden die Ereignisse am 22. und 23. Dezember als Flashback erlebt und verfestigten die Tatsache: Kurd:innen sind nirgendwo sicher. Zu präsent noch ist in Nürnberg die Verhaftung von Mirza B. im Mai 2021. Die Abläufe gleichen sich: Wieder dringen bewaffnete Einheiten des USK unter Leitung des Bayrischen Landeskriminalamts im Morgengrauen gewaltsam in die Räume des kurdischen Kulturzentrums ein und stürmen Privatwohnungen von Vereinsmitgliedern. Sie beschlagnahmen Unterlagen, Bargeld, Datenträger; am Ende wird ein Freund abgeführt. Mit ihrem martialischen Auftreten verbreiten sie Angst und Schrecken in den Wohnvierteln. Das ist beabsichtigt. Der Nachbarschaft wird signalisiert: Hier sind „gefährliche Leute“.
Es dauert, bis sich nach derartigen Überfällen die Aufregung gelegt hat, bis sich Strukturen und Netzwerke der Solidarität formieren und die Nachbarn aufgeklärt wurden. Die traurige Tatsache: Man gewinnt Routine im Umgang mit Repression.
Spekulationen machen die Runde. In ihrer Rede fragte die Interventionistische Linke (iL): Ist nach der Verurteilung von Mirza B. eine U-Haft-Zelle in München frei geworden? Hat das Oberlandesgericht eine Art Bringschuld in Bezug auf jährlich stattfindende Prozesse gegen Kurd:innen? Müssen auf die PKK angesetzte LKA-Ermittler für ihre Karriere eine Quote erfüllen? Haben Politiker:innen der SPD und der Grünen bei ihrer Aufwartung in Ankara Stückzahlen von Inhaftierungen und Abschiebungen versprochen? Hat Generalbundesanwalt Peter Frank bei seinem geheimnisumwitterten Besuch bei Erdogan im Juli 2022 eine Liste erhalten, die nun abgearbeitet wird für eine weiterhin gut funktionierende Kooperation mit dem islamo-faschistischen türkischen Regime?
Woran niemand mehr glaubt, sind die alten Legenden aus den 90er Jahren des vergangenen Jahrtausends von der „Gefahr für die Sicherheit Deutschlands“ durch vermeintliche Aktivitäten der PKK. Selbst Gerichte quittieren dieses Narrativ samt der türkischen Staatspropaganda nur mit einem müden Lächeln. Man sei sich dessen bewusst, hört man. Hartnäckig ignoriert aber wird trotzdem jeder politische Wandel. Es ist bequemer, das einmal konstruierte Stigma, das der PKK angehängt wurde, aufrecht zu erhalten als zuzugeben, dass man es sich mit dem türkischen Regime nicht verderben will. Außenpolitik hat Priorität vor einer eben nicht unabhängigen Justiz.
Dunkle Tage … doch die Freiheitsbewegung hat in ihrer Widerstandsgeschichte gelernt, Rückschläge in ein trotziges Jetzt-erst-recht zu verwandeln. Man sagt „Berxwedan jiyan e!“ (Widerstand heißt Leben) und kämpft weiter. Man rückt zusammen, überwindet kleinliche Differenzen durch „Hevaltî“, Freundschaft, Genossenschaftlichkeit, Zusammenhalt – immer schon eine Stärke der Bewegung.
Moral wird auch aus erlebter internationale Solidarität geschöpft. Zum Beispiel durch den heutigen Solidaritätsbesuch der Ortsgruppe der Roten Hilfe, der Interventionistischen Linken und zahlreicher anderer Organisationen, die vor dem Medya Volkshaus eine Kundgebung organisierten.
Gemeinsam trauerte man um die Toten von Paris, gedachte der Gefallenen durch Giftgas- und Drohnenangriffe und erinnerte an die vielen Kämpfer:innen in Rojhilat/Iran, die mit „Jin Jiyan Azadî“ gegen das mörderische Mullah-Regime aufstehen.
Diese Zeichen der Solidarität sind sehr wichtig in düsteren Zeiten. Auch wenn sich die Kämpfe oft unterschiedlichen Themen widmen, ist eine internationalistische Verbundenheit zu spüren, die signalisiert: Wir alle stehen zusammen gegen Verleumdung und Ausgrenzung, gegen Repression, gegen den Faschismus. Und gemeinsam teilen wir die Hoffnung auf ein Leben jenseits von Patriarchat, Staat und Gewalt.
Kurd:innen erzählen oft vom Licht, das unweigerlich der Dunkelheit folgt. Die Sprecherin der iL erinnerte an ein Pendant dazu in einem Lied, das Rio Reiser von der Gruppe „Ton, Steine, Scherben“ 1975 geschrieben hat: „Wenn die Nacht am tiefsten ist, ist der Tag am nächsten … und ich weiß, wir werden die Sonne sehn…“ und sie fügte hinzu: „Das Ende der Dunkelheit mag heute für uns alle noch weit entfernt sein, doch wir geben die Hoffnung auf das Licht der Freiheit nicht auf.“
Mit dem alten Solidaritätslied, das die Ortsgruppe der Falken anstimmte, endete die die Kundgebung. Ratsmitglieder bedankten sich für die Anteilnahme und die aufmunternden Worte und luden zum gemeinsamen Essen in die Vereinsräume. Der Besuch der Internationalist:innen heute war ein gutes Zeichen. Es ist zu wünschen, dass sich diese Geste der Solidarität an vielen anderen Orten wiederholt.