Österreichs Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sieht die Türkei hinter den Angriffen auf kurdische und linke Demonstrationen in Wien-Favoriten. „Es gibt Hinweise, dass es hier türkischen Einfluss gibt - auch auf die Vereine”, sagte Nehammer in der „ORF-Pressestunde”. Der Minister sprach von einer außergewöhnlichen Gewaltbereitschaft vor allem türkischstämmiger Männer gegen Teilnehmende der Proteste – aber auch gegen Polizist*innen und Polizeihunde.
So gab es während einer Demonstration immer wieder den Versuch, die Polizeikräfte auseinander zu ziehen. „Taktisches Vorgehen, damit dann die Versammlung angegriffen werden kann”, sagte Nehammer. Angesprochen ob er glaubt, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan in Österreich zündelt, verwies er auf die türkisch-griechische Grenze: „Er [Erdoğan] hat das Leid von Menschen ausgenutzt, er hat eine Migrationskrise ausgelöst.“
Dem österreichischen Verfassungsschutz sei zudem aufgefallen, dass es Personen gegeben habe, die die Ereignisse während der Demonstration in Favoriten mit professionellem Equipment gefilmt und fotografiert hätten. Welche Strukturen dahinter stecken, werde nun eine im Innenministerium eingerichtete Sonderkommission, die sich unter anderem aus Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt und Landeskriminalämtern rekrutiert, ermitteln.
Es dürfte auf keinen Fall passieren, dass Vereine von einem anderen Staat instrumentalisiert werden, um in Österreich Politik zu betreiben und für Unruhe zu sorgen, so Nehammer weiter. Österreich sei eine gewachsene Demokratie und gehöre zu den sichersten Staaten der Welt. „Wer die Grund- und Freiheitsrechte nicht respektiert - zu denen auch das Recht gehört, sich friedlich zu versammeln - steht am Rand unserer Gesellschaft. Und diese extremen Ränder werden wir nicht tolerieren, sondern dagegen mit aller Vehemenz des Rechtstaates vorgehen.”
Minister*innen nach Todesdrohungen unter Personenschutz
In Wien ist es in den letzten Wochen immer wieder zu Angriffen faschistischer „Grauer Wölfe“ auf Protestdemonstrationen gegen das Erdoğan-Regime und linke Projekte wie das Ernst-Kirchweger-Haus (EKH) gekommen. Nach dem gezielten Mord an drei Aktivistinnen der kurdischen Frauenbewegung im nordsyrischen Kobanê am 23. Juni hatten einen Tag später mehr als hundert Faschisten aus dem Lager der ultranationalistischen „Grauen Wölfe“ eine von kurdischen und türkischen Frauenorganisationen initiierte Kundgebung angegriffen. Auch in den folgenden Tagen kam es zu massiven Angriffen türkischer Nationalisten auf Feministinnen und linke Strukturen. Nachdem Innenminister Karl Nehammer daraufhin die Auswertung von Videomaterial und harte Konsequenzen gegen die Täter ankündigte und Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) die Angriffe verurteilte, kam es in den sogenannten sozialen Medien zu Todesdrohungen von türkischen Nationalisten gegen die Ministerin und den Minister. Beide stehen wegen Morddrohungen seit Mittwoch unter Personenschutz.