Muhammed Tunç unmittelbar vor der Abschiebung

Um nicht in die Türkei abgeschoben zu werden, hat Muhammed Tunç einer freiwilligen Ausreise in ein Drittland zugestimmt. Das Angebot der baden-württembergischen Behörden wurde zurückgezogen, nachdem er im türkischen Konsulat einen Pass beantragte.

Der Kurde Muhammed Tunç aus Ulm soll nach zweimaligem Scheitern seiner Abschiebung am 7. April mit einer Chartermaschine in die Türkei ausgeflogen werden. Der 32-Jährige befindet sich seit knapp drei Monaten im Abschiebegefängnis Pforzheim und hat sich mit neuen Informationen zu seinem Fall an die Öffentlichkeit gewandt.

In einer Presseerklärung vom 4. April weist Tunç darauf hin, dass die Abschiebung bisher zwei Mal durch seinen und durch öffentlichen Protest verhindert werden konnte und er von bekannten türkischen Faschisten aus der Türkei bedroht werde, die offensichtlich Beziehungen zu paramilitärischen Strukturen unterhalten und bereits in der Vergangenheit Politiker:innen in Deutschland bedroht haben.

Offene Drohung im türkischen Konsulat

Weiter teilt Tunç mit: „Auf Initiative von manchen Landtagsabgeordneten hatte das Regierungspräsidium in Baden-Württemberg gemeinsam mit der BAMF, nach meiner verhinderten Abschiebung, meinen Anwälten den Vorschlag unterbreitet, dass ich, sollte ich freiwillig ausreisen, in ein drittes Land ausreisen dürfe. Um der Gefahr der Abschiebung in die Türkei, also somit der sicheren Inhaftierung und der Folter zu entgehen, akzeptierte ich diesen Vorschlag.

Am 23. März bin ich dann in Begleitung von deutschen Beamten in das türkische Konsulat in Stuttgart und habe dort einen Pass beantragt. Was ich dort erlebt habe, war unglaublich: Neben rassistischen Äußerungen, die gefallen sind, sagte mir der türkische Staatsbeamte, dass gegen mich aufgrund von nicht geleistetem Wehrdienst in der Türkei ein Haftbefehl vorliege und dass ich sobald ich das Land betrete direkt ins Militär zwangsrekrutiert werde. Dort würde ich ,ganz anders dastehen', als ich mich im Internet immer darstelle. Das ist eine offene Drohung gewesen.“

Angebot für Ausreise in Drittland zurückgezogen

Tunç weiß nach eigenen Angaben „aus sicheren Quellen“, dass bereits seit längerem ein Charterflug für Donnerstag, den 7. April, aus dem Saarland für ihn gemietet ist. Das Angebot auf eine freiwillige Ausreise in ein Drittland ist von den Behörden inzwischen ohne Angabe von Gründen zurückgezogen worden, schreibt Tunç: „Ich bin schockiert über den Rückzug dieses Angebots.

Trotz der offenen Drohungen aus der Türkei, trotz des öffentlichen Unmuts, das auch die Aufmerksamkeit der türkischen Behörden auf mich zog, und trotz der sicheren Verhaftung und Zwangsrekrutierung in das türkische Militär, das tagtäglich Kriegsverbrechen in Syrien (Beispiel: Afrin), im Irak (Beispiel: Einsatz chemischer Kampfstoffe) und anderswo begeht, soll ich nun am 7. April per Charterflug abgeschoben werden. Ich erkläre hier in aller Deutlichkeit nochmal: Für all das, was mir aufgrund meiner Abschiebung in die Türkei zustoßen wird, werden die deutschen Behörden verantwortlich sein. Ich stehe unmittelbar vor der Gefahr, in die Arme des türkischen Militärs geschickt zu werden, das mich irgendwo in den Krieg im Mittleren Osten einsetzen könnte.“

Tunç in der Türkei als „Feind“ gelistet

Muhammed Tunç ist 1989 in Ulm geboren und aufgewachsen und besitzt die türkische Staatsbürgerschaft. In der Türkei ist er aufgrund seines pro-kurdischen Engagements in Deutschland der Gefahr politischer Verfolgung, Haft und Folter ausgesetzt. Das will das baden-württembergische Justizministerium jedoch nicht eingestehen. Die Behörde hält die Abschiebung für vertretbar und rechtfertigt die Entscheidung mit einer „Straffälligkeit“ im Zusammenhang mit zwei Gerichtsurteilen gegen den Kurden wegen gefährlicher Körperverletzung. Die Verurteilungen erfolgten nach Auseinandersetzungen mit türkischen Nationalisten aus dem Umfeld der Partei von Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Laut Tunç ist sein Name den Behörden in der Türkei als „Feind“ ein Begriff.